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Feindlich verbündet: Lessing und die Neuen Erweiterungen der Erkenntnis und des Vergnügens

from Special Section on Goethe and the Postclassical: Literature, Science, Art, and Philosophy, 1805–1815

Published online by Cambridge University Press:  14 March 2018

Karl S. Guthke
Affiliation:
Harvard University
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Summary

I. Eine Konstellation im literarischen Leben

DER HERAUSBILDUNG DES LITERARISCHEN LEBENS geht in den deutschsprachigen Ländern ein literarischer Geschmackswandel parallel: als es seit dem mittleren achtzehnten Jahrhundert zum Zusammenwirken von jenen Faktoren kommt, die das Grundmuster des “commercium litterarium” ausmachen (Berufsschriftstellertum, Verlagsbuchhandel, Buchkritik und Lese-Publikum), geschieht zeitgleich auch, nach Abschluß der Leipzig-Zürcher Kontroverse, der Orientierungswandel von klassizistisch französischen zu unklassizistisch englischen Vorbildern, die dem eigenen nationalen “Naturell” als verwandt verstanden werden. Zu den institutionellen Trägern dieses “sich so formierenden literarischen Lebens gehör[t] das Zeitschriftenwesen” in vorderster Linie, zu den personalen der aus der eigenen geistigen Substanz schöpfende Autor, der sich vom Mäzenatentum ebenso emanzipiert hat wie vom religiösen oder staatspolitischen Erbauungsauftrag. An Lessing denkt man da zuerst, während als repräsentiv einschlägige Zeitschrift die Leipziger Neuen Erweiterungen der Erkenntnis und des Vergnügens in Vorschlag zu bringen wären: ein Journal, das gleichzeitig mit dem ersten Band von Lessings gesammelten Schrifften auftritt und sein Erscheinen einstellt, als Lessing es mit den Literaturbriefen zum führenden Literaturkritiker gebracht hat (12 Bände in 72 Stücken, 1753–62).

Zugegeben: die Rolle dieser Zeitschrift in der Konstituierung des literarischen Lebens und der Artikulation der neuen geschmacklichen Leitvorstellungen liegt weniger auf der Hand als die Lessings, und sie ist auch bescheidener. Dennoch haben diese beiden Exponenten der Wandlungsvorgänge um die Jahrhundertmitte immerhin viel miteinander gemein: die Favorisierung der englischen Literatur, namentlich Drydens und Shakespeares, aber auch Otways, Thomsons, Steeles und anderer, das Eintreten für das als englischer Import aufgefaßte bürgerliche Trauerspiel, das Interesse am englischen Roman (Richardson, Fielding) als Gegenentwurf zum Heldenepos (das damals in Leipzig wie in Zürich noch die bevorzugte Gattung war). Nicht nur das: manches, was die Neuen Erweiterungen schon 1755 zum bürgerlichen Trauerspiel zu sagen haben, wirkt wie ein zustimmender Kommentar zu Miss Sara Sampson als der exemplarischen und ersten Verwirklichung dieser neuen Gattung; und wo würde man wohl eine Äußerung wie die folgende suchen: die Übersetzung eines ganzen Shakespeare-Stücks würde bei “dem deutschen Geschmack” kaum Beifall finden:

Warum? Weil wir lieber das elendeste Stück, darinnen alle Regeln der drey Einheiten mit allen Unvollkommenheiten der tragischen Schaubühne genau verbunden werden, zu lesen gewohnt sind, als daß wir die Kühnheit eines erhabenen Genies, das keinen als seinen eigenen Vorschriften folgt, in allen seinen schönen Unvollkommenheiten bewundern sollten. Shakespear war zu groß, sich unter die Sklaverey der Regeln zu demüthigen. […]

Type
Chapter
Information
Goethe Yearbook 17 , pp. 327 - 348
Publisher: Boydell & Brewer
Print publication year: 2010

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