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Nomaden und Handel

Published online by Cambridge University Press:  07 August 2014

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Wenn im folgenden die Beteiligung nomadischer Gruppen an Handel und Handelsverkehr skizziert werden soll, so muß zugleich auf Umstände hingewiesen werden, die eine entsprechende Aussage erschweren oder relativieren. So ist es bereits problematisch, inwieweit wir aus der Bezeichnung von Menschengruppen mit einem Stammesnamen bzw. dem Namen einer Untereinheit eines Stammes auf eine nomadisierende oder wenigstens teilweise nomadisierende Lebensweise dieser Gruppen schließen dürfen. Selbst Anzeichen für eine auf Nomadismus deutende Wirtschaftsführung oder Verhaltensweise sowie der Aufenthalt in einem Gebiet, das nur eine periodische Weidenutzung gestattet, können nicht als beweiskräftige Argumente für eine Zuweisung dieser Gruppen zu den Nomaden gelten. Zweitens ist die bekannte Tatsache in Erinnerung zu bringen, daß uns von den Nomaden selbst eine inschriftliche Überlieferung so gut wie völlig fehlt. Das impliziert eine Quellensicht, die sich am Urteil der Seßhaften, und zwar primär der Stadtbewohner, orientiert. Die Folge sind sowohl ein Desinteresse an allen stammesinternen Angelegenheiten, die nicht im politischen oder ökonomischen Blickfeld der Seßhaften erscheinen, als auch eine Dominanz des negativen Aspekts bei der Darstellung der Kontakte zu nomadischen Gruppen. Das Besondere, vor allem das Störende und Feindliche, tritt in der inschriftlichen Überlieferung stärker hervor als das Normale, Gewohnte. So ist für die nachfolgende Skizze die Einschränkung zu machen, daß die Verwertbare inschriftliche Überlieferung nicht nur dürftig und einseitig ist, sondern oft auch nicht entscheiden läßt, inwieweit wir überhaupt berechtigt sind, eine Quellenaussage hier mit heranzuziehen.

Type
Research Article
Information
IRAQ , Volume 39 , Issue 2 , Autumn 1977 , pp. 163 - 169
Copyright
Copyright © The British Institute for the Study of Iraq 1977

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References

1 Als eine der Ursachen darf man wohl ansehen, daß erst mit der Herausbildung des (arabischen) Kamelnomadentums die Grenze zwischen Nomaden und Seßhaften schärfer gezogen wurde. Zudem ist auf den Umstand zu verweisen, daß die keilschriftliche Überlieferung geographische, ethnische sowie sozialökonomische Verhältnisse gewöhnlich nicht beschreibt bzw. zu erfassen sucht. Zu den Besonderheiten des altvorderasiatischen Nomadentums vgl. die Artikelserie von M. B. Rowton (zuletzt JNES 35 (1976), 13 ff.Google Scholar); ferner Klengel, H., Saeculum 17 (1966), 205 ff.CrossRefGoogle Scholar, und ders., Zwischen Zelt und Palast (Leipzig, 1972)Google Scholar.

2 Äußerungen von Anführern nomadischer Gruppen finden sich in verschiedenen Briefen des Mari-Archivs in wörtlichem Zitat; vgl. Z wischen Zelt und Palast, 15 ff.

3 Zu dieser Route vgl. ARM I 66Google Scholar, sowie Kühne, C., Die Chronologie der internationalen Korrespondenz von El-Amarna (Neukirchen-Vluyn, 1973), 119Google Scholar. Weiter südlich durch die syrisch-arabische Wüste führende Routen dürften im Hinblick auf die Wasserverhältnisse erst mit der Nutzung des Kamels als Lasttier von Karawanen an Bedeutung gewonnen haben.

4 Für die altbabylonische Zeit vgl. vor allem die Itinerare bei Goetze, A., JCS 7 (1953), 51 ff.Google Scholar, und Hallo, W. W., JCS 18 (1964), 57 ff.Google Scholar Für die Akkad-Zeit darf aus den neu entdeckten Ebla-Texten Aufschluß erwartet werden. Offenbar besaß im nordsyrischen Raum zunächst eine Route von Emar (Meskene) über Ebla, dann über Halab Bedeutung.

5 Vgl. etwa DUMUMEŠJamina KI in ARM II 53Google Scholar, II 137, sowie Dossin, G., Mélanges syriens offerts à M. René Dussaud, II (Paris, 1939), 986 ff.Google Scholar—LÚMEŠJarihaja KI in ARM II 53Google Scholar, vgl. I 42.—Hana KI in ARM I 37Google Scholar, I 39, I 60?.—Numha KI in ARM II 99Google Scholar.—māt Suti(um) s. das Datum Rim-Sin 14 sowie den Nuzi-Text SMN 1680 bei Lacheman, E. R., BASOR 78 (1940), 23Google Scholar.—mät Armaja s. Brinkman, J. A., A Political History of Post-Kassite Babylonia (Rom, 1968), 278Google Scholar. Eine neubabylon. Chronik (King, L. W., Chron. II Nr. VI 10 f.Google Scholar = K·Grayson, A., Chronicles, 181Google Scholar) vermerkt, daß der Sutäer Beute aus Sumer und Akkad in sein Land gebracht habe; vgl. Kupper, J.-R., Les nomades en Mésopotamie au temps des rois de Mari (Paris, 1957), 105CrossRefGoogle Scholar.

6 Vgl. etwa von Oppenheim, M., Die Beduinen, I (Leipzig, 1939), 72Google Scholar; sowie Gräf, E., Das Rechtswesen der heutigen Beduinen (Walldorf-Hassen, 1952), 31Google Scholar. Demnach hat jeder Stamm ein bestimmtes Gebiet, das als sein Eigentum bzw. seine Einflußsphäre gilt. Karawanen und Pilger haben an den Schēch des Stammes eine Passiergebühr zu zahlen, sofern nicht seitens der Regierung die Sicherheit der Durchziehenden durch die Zahlung eines Gehalts erkauft wurde. Zu dem gelegentlich als “Transitgebühr” übersetzbaren Terminus miksum vgl. Lurton-Burke, M., Syria 41 (1964), 89 ff.Google Scholar; sowie Ellis, M. de J., JCS 26 (1974), 211 ff.Google Scholar

7 Ungnad, A., Babylon. Briefe (1914), Nr. 154Google Scholar = Frankena, R., Altbabylonische Briefe, II (Leiden, 1966) Nr. 83Google Scholar. Vgl. Kupper, J.-R., Les nomades (1957), 89Google Scholar.

8 Jaqqim-Adad war Gouverneur des Distriktes von Sagaratum am Unterlauf des Habur, vgl. dazu Birot, M., ARM XIV S. 1 ff.Google Scholar

9 Zur Begriffserweiterung der Bezeichnung Sutäer, die in altbabylon. Zeit noch eng auf eine Gruppe vorwiegend nomadisierender und offenbar sehr mobiler Schafzüchter bezogen war, vgl. Kupper, J.-R., Les nomades (1957), 83 ff.Google Scholar; sowie zuletzt Rowton, M. B., JNES 35 (1976), 16Google Scholar. In MSL XII (1969), S. 186Google Scholar sind lü-líl-la und lú-za-lam-gar (Steppen- bzw. Zeltbewohner) mit su-tu-[um] geglichen.

10 Cornwall, P. B. und Goetze, A., JCS 6 (1952), 137 ff.Google Scholar, vgl. Kupper, J.-R., Les nomades (1957), 108 f.Google Scholar Ahlamäer vergriffen sich demnach an Tilmun-Datteln, zu dieser Zeit offenbar vorrangiges Exportprodukt Tilmuns.

11 EA 16; vgl. auch EA 297 und 318.

12 KUB III 72Google Scholar + KBo I 10Google Scholar; Übersetzung des Briefes bei Oppenheim, A. L., Letters from Mesopotamia (Chicago, 1967), 139 ff.Google Scholar

13 Grayson, A. K., Assyrian Royal Inscriptions, I (Wiesbaden, 1972), 82Google Scholar.

14 Lambert, W. G., Babylonian Wisdom Literature (Oxford, 1960), 134 und 144Google Scholar.

15 Chronik P, s. Grayson, A. K., Assyrian and Babylonian Chronicles (New York, 1975), 171 f.Google Scholar; vgl. Kupper, J.-R., Les nomades (1957), 103 f.Google Scholar

16 Luckenbill, D. D., Ancient Records, I (Chicago, 1926), §§ 166 und 239Google Scholar; vgl. Weidner, E., AfO 18 (19571958) 350Google Scholar; sowie Küpper, J.-R., Les nomades (1957), 110Google Scholar.

17 Goetze, A., JCS 19 (1965), 121 ff.Google Scholar; vgl. Brinkman, J. A., Political History (1968), 152 f.Google Scholar

18 So auch Brinkman, J. A., Political History (1968), 285Google Scholar.

19 Ebenda, 279.

20 Ebenda, 269. Zur Lokalisierung von Hamranu am Dijala s. zuletzt Grayson, A. K., Chronicles (1975), 255 f.Google Scholar

21 Vgl. die Beiträge von M. B. Rowton zum sogenannten “enclosed nomadism”, insbesondere JESHO 17 (1974), 1 ff.Google Scholar

22 Vgl. insbesondere die bekannten Nachrichten aus den Texten von Amarna und Ugarit.

23 Für Mari vgl. etwa Dossin, G., Mélanges Dussaud, II (1939), 988Google Scholar.

24 Zur Frage der Märkte zuletzt Röllig, W., WO 8 (1976), 286 ff.Google Scholar, der darauf verweist, daß die Existenz solcher Märkte keiner archäologischen Evidenz bedarf und im inschriftlichen Material nachweisbar ist.

25 Schafe von Nomaden werden in MSL VIII/1 (1960)Google Scholar als besondere Qualität aufgeführt, s. Zeilen 18, 69, 73 und 265.

26 Ob die in einem Mari-Text (B 590, s. Finet, A., RA 60 (1966), 25Google Scholar) erwähnten 3000 Esel der Hanäer in diesem Zusammenhang genannt werden dürfen, muß noch offen bleiben. Zur Kamelvermietung durch Beduinen vgl. von Oppenheim, M., Die Beduinen, I (1939) 72Google Scholar.

27 Sowohl die in neuassyr. Texten belegte Bezeichnung ša imērē-šu für das Gebiet von Damaskus (vgl. Tocci, F. Michelini, RSO 35 (1960), 129 ff.Google Scholar) wie auch der (hurr.) Name Abina für den Bereich nördlich von Damaskus (KBo I 1 I 43 ff.Google Scholar) bringt dieses Gebiet mit Eseln in eine Verbindung.

28 Für rezente Verhältnisse vgl. Gräf, E., Rechtswesen (1952), 31Google Scholar.

29 Vgl. etwa ARM II 123, III 46, V 58, VI 14, 15 und 78Google Scholar.

30 Cassin, E., Fischer Weltgeschichte, 3 (Frankfurt/Main, 1966), 30Google Scholar.

31 Grab des Chnumhotep, Anf. 19. Jahrhundert v. Chr. Die Asiaten, deren Anführer der Beischrift zufolge aus der Steppe stammt, bringen schwarze Augenpaste (msdmt) aus dem Lande Šwt in Vorderasien. Unklar bleibt, ob es sich um Nomaden handelt oder um Handwerker, für die der Handel mit Augenschminke ein Nebenerwerb war. Vgl. dazu Albright, W. F., BASOR 163 (1961), 42Google Scholar.

32 Zu akkad. guhlu (vgl. arab. koḥl) s. CAD G 125, und von Soden, W., AHw I 296Google Scholar (“Antimonpaste”); vgl. Forbes, R. J., Studies in Ancient Technology III (Leiden, 1955), 18Google Scholar.

33 Vgl. zuletzt Pettinato, G., Mesopotamia 7 (1972), 120 ff.Google Scholar

34 Tribute an Sargon II (Luckenbill, D. D., Anc. Rec. II, 18Google Scholar), Asarhaddon (ebenda II, 518, 536, 551) und Assurbanipal (ebenda II, 827, 869). Die hier ebenfalls erwähnten Kamele, Esel, Ingredienzien sowie vielleicht auch Pferde stellten wohl Tribute aus der nomadischen Wirtschaft selbst dar.

35 Für spätere Zeit berichtet Diodor (Bibliotheca II 48, XIX 94100Google Scholar) von den Nabatäern, sie würden räuberisch in der Wüste leben, kein Getreide anbauen, keinen Wein trinken und keine Häuser bauen. Sie würden aber teilnehmen am Handels-verkehr von Arabia Felix nach dem Norden. Während der erste Teil seiner Darstellung wenig Vertrauen verdient, dürfte letzteres wohl zutreffen.— Für die in den Mari-Texten bezeugten Simaliten vermutet Birot, M., ARM IX S. 272Google Scholar (zu ARM IX 15:6 f.) eine Teilnahme am Handelsverkehr, aus der auch die 8 Gefäße Wein stammten, die sie nach Mari lieferten.

36 Vgl. dazu zuletzt Diakonoff, I. M., Acta Antiqua 22 1974), ersch. 1976, 69 f.Google Scholar Zu den Bedingungen, die eine größere Rolle der Sklaverei in der Sphäre der Produktion verhinderten, s. auch Melikišvili, G. A., Narody Azii i Afriki 4 (1972), 55 f.Google Scholar

37 Ch.-F. Jean, Tell Sifr (Paris, 1931), Nr. 13Google Scholar; Figulla, H.-Martin, W. J., UET V (London, 1953), Nr. 97Google Scholar. Der Verkauf von Personen an Sutäer wird ARM XIV, 78 und 79, erwähntGoogle Scholar.

38 Frankena, R., Altbabylonische Briefe, III (Leiden 1968), Nr. 1Google Scholar

39 Zu Sklaven aus Idamaraz vgl. demnächst Verf., AoF V (1977)Google Scholar.

40 RS 8.333 = Nougayrol, J., PRU III (Paris, 1955), 7 f.Google Scholar; vgl. dazu Klengel, H., Geschichte Syriens, I (Berlin, 1965), 65Google Scholar. König von Karkemiš war zu dieser Zeit wohl Ini-Tešub.

41 Lacheman, E. R., BASOR 78 (1940), 23Google Scholar. Unklar bleibt dabei, ob es sich um Sutäer selbst handelte oder um Personen, die aus dem sutäischen Bereich bzw. durch sutäische Vermittlung nach Nuzi gelangt waren.

42 ARM VIII 9Google Scholar (Kauf eines sutäischen Sklaven eines Sutäers), vgl. ARM VIII 10Google Scholar (Verkauf eines awīl ṣērim). In einer Sklavenliste aus Ur (UET V Nr. 108) erscheint in Z. 19 ein Warad-Šamaš mit dem Zusatz Su-tu-um. Vgl. auch Kupper, J. R., Les nomades (1957) 93Google Scholar.