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Der ernsthafte König oder die Hölle schon auf Erden: Gewalt im Dienste des Seelenheils

Published online by Cambridge University Press:  17 March 2023

Edelgard E. DuBruck
Affiliation:
Marygrove College, Michigan
Yael Even
Affiliation:
University of Missouri, St Louis
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Summary

Der vorliegende Beitrag befasst sich mit einem Motivkomplex des Mittelalters, der von einer sehr subtilen Gewaltanwendung erzählt: es handelt sich weniger um physische Grausamkeiten als um eine psychische Gewalt, die letztlich von der christlichen Kirche ausgeübt wurde. Dieser Einfluß besteht im Schüren der Ängste vor der Ungewissheit des Todes und des Lebens danach sowie in der Vergegenwärtigung und Androhung von Strafen im Jenseits. Die Pein, welche die menschliche Seele nach Gottes Gericht oder schon vor dem leiblichen Tod in Anbetracht des ungewissen Schicksals erduldet, stellt unsere Erzählung allegorisch durch die Schilderung lebensgefährlicher Situationen und einer Scheinhinrichtung dar. Die Veranschaulichung dessen, was den Menschen nach dem Tode erwartete, hatte eine erzieherische Funktion: die Angesprochenen sollten sich bewusst werden, wie ernst die Sorge um ihr Seelenheil zu nehmen war. Als vorbildliche Figur wirkte in der Erzählung die Gestalt eines stets traurigen Königs. In Tubachs Index Exemplorum ist der Motivkreis unter der Nr. 4994 (the king who never laughed and his brother) verzeichnet. Der Inhalt der Geschichte, deren Einzelmotive je nach Fassung variieren, sei hier kurz wiedergegeben:

Die Frage seines Bruders (Höflings, Hofnarrs), warum er selbst bei fröhlichen Anlässen immer eine finstere Miene zur Schau trage, beantwortet ein weiser König, indem er den Fragenden am nächsten Morgen scheinbar zur Hinrichtung abholen lässt; sodann wird der Delinquent auf einen Stuhl gesetzt, der über einer mit glühenden Kohlen gefüllten Grube auf morschen Beinen steht, und von vier seitlich auf ihn gerichteten Lanzen sowie einem über seinem Haupte schwebenden Schwert bedroht wird. Jede Bewegung hätte tödliche Folgen; so kann der König erklären, warum er immer von Trauer und Angst erfüllt ist; denn diese Situation entspreche seiner eigenen, da die Grube unter dem Stuhl das Höllenfeuer, die vier Lanzen Tod, Sündhaftigkeit, Teufel und Gottes Engel, das Schwert über seinem Haupt aber den göttlichen Richter versinnbildliche.

Der Motivkreis des traurigen Königs durchwanderte ganz Europa vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit und hinterliess seine Spuren in verschiedenen literarischen Gattungen. Der Stoff dürfte aus einem altindischen Fürstenspiegel stammen; nach Europa gelangte er höchstwahrscheinlich im Zuge der Überlieferung des Barlaam-und-Josaphat-Romans, ebenso im Rahmen der Vitae patrum oder später durch Jakobs von Voragine Legenda Aurea. In der Legende der beiden Heiligen erscheint die Geschichte als Teilstück einer der Parabeln, mit denen der Mönch Barlaam den indischen Königssohn Josaphat in der christlichen Lehre unterrichtet und schliesslich zur Weltabkehr bringt.

Type
Chapter
Information
Fifteenth-Century Studies Vol. 27
A Special Issue on Violence in Fifteenth-Century Text and Image
, pp. 21 - 43
Publisher: Boydell & Brewer
Print publication year: 2002

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