Pierre d'Ailly war eine zentrale Gestalt für die Theologie und Philosophie an der Wende des vierzehnten zum fünfzehnten Jahrhundert. Er ist als Lehrer Johannes Gersons, als dessen Vorgänger im Amt des Rektors der Universität Paris, als bedeutender Kirchenpolitiker des Konstanzer Konzils und als Theologe untersucht worden, und in den vergangenen Jahren gerieten auch seine originellen philosophischen, vor allem logischen Ansätze in den Blick der Forschung. In seiner Bedeutung für die “via moderna” des fünfzehnten Jahrhunderts kam er bislang aber nur wenig zur Sprache. Für diese Fragestellung sind die polemischen Werke Aillys von besonderem Interesse, vor allem der Traktat, den er im Auftrag der theologischen Fakultät der Universität Paris gegen den Dominikaner Johannes de Montesono geschrieben hat. Dieser lässt nicht nur auf deutliche Weise Aillys Modell einer von der Philosophie unabhängigen Theologie erkennen, sondern zeigt zugleich, wie die Ursachen gelegt wurden für die spätere polemische Auseinandersetzung zwischen “via moderna” und “via antiqua.”