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Geweißte Grabmäler. Motivkritische Anmerkungen zu Mt 23.27–28

Published online by Cambridge University Press:  11 September 2012

Markus Lau*
Affiliation:
Theologische Fakultät, Universität Freiburg, Avenue de l'Europe 20, CH-1700 Freiburg/Schweiz. email: markus.lau@unifr.ch

Abstract

In Matthean research, the quest for a suitable key to the understanding of the sixth woe (Mt 23.27–28) has not yet provided results that are fully convincing. Against the backdrop of Jewish everyday life, the image of positively connoted white tombs seems to have no relevant point of reference. Rather, white is understood as a warning colour in the context of tombs as it is intended to mark and warn against the tombs’ impurity. In contrast to these findings, the article confirms the existence of prominent white graves which were considered beautiful in first-century Judaism: the tombs of the patriarchs at Hebron and the tomb of King David at Jerusalem, both artfully embellished by Herod the Great. In the light of these parallels, the logic of the comparison, which serves as an argument for the woe of Mt 23.27–28, falls into place and perhaps provides an additional insight into Matthew's view of Herod the Great.

German abstract: In der Matthäusforschung gibt es bisher keinen rechten Schlüssel für das Verständnis des sechsten Weherufes (Mt 23.27–28), weil das von Matthäus gewählte Vergleichsbild von weißen Gräbern, die als schön bewertet werden, keinen Anhalt in der jüdischen Lebenswelt zu haben scheint. Vielmehr sei weiße Farbe im Kontext von Gräbern als Warnfarbe zu verstehen, die vor der Unreinheit des Grabes auf Distanz halten will. Dem gegenüber weist dieser Beitrag nach, dass es im Judentum des 1. Jh. n. Chr. prominente weiße Gräber gab, die als schön galten: die von Herodes dem Großen ausgeschmückten Gräber der Patriarchen in Hebron sowie das Davidsgrab in Jerusalem. Angesichts dieser Parallelen funktioniert die Logik des Vergleichs, die als Argument im Weheruf von Mt 23.27–28 fungiert, ganz zwanglos und lässt vielleicht auch noch einen zusätzlichen Blick auf das matthäische Herodesbild zu.

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References

1 Von einem solchen Publikum gehe ich mit einer Reihe von Exegetinnen und Exegeten aus. Vgl. zur Begründung nur Ebner, M., ‘Das Matthäusevangelium’, Einleitung in das Neue Testament (hg. M. Ebner/S. Schreiber; KStTh 6; Stuttgart: Kohlhammer, 2008) 125–53, 141Google Scholar.

2 Dabei wird die Schönheit der Gräber mit Gerechtigkeit, die Totengebeine und die Unreinheit mit Heuchelei und Ungesetzlichkeit kombiniert.

3 Der von Matthäus verwendete Begriff ὡϱαῖος hat insbesondere in der LXX die Bedeutung ‘schön’. Vor diesem Hintergrund liegt ein solches Verständnis im Matthäusevangelium nahe. Man kann freilich auch mit ‘anmutig, ansprechend, blühend’ übersetzen, in jedem Fall bleibt eine positive Konnotation im Blick auf die weißen Gräber erhalten.

4 So Luz, U., Das Evangelium nach Matthäus (Mt 18–25) (EKK 1/3; Zürich/Neukirchen-Vluyn: Benziger/Neukirchener, 1997) 341Google Scholar.

5 Zum Diskurs um Mt 23.3, 23 vgl. die Darstellung der Diskussion und den Lösungsvorschlag bei Reinbold, W., ‘Das Matthäusevangelium, die Pharisäer und die Tora’, BZ NF 50 (2006) 5173, 61–70Google Scholar.

6 Vgl. dazu Luz, Matthäus, 340: Die schwer zu erkennenden Gräber ‘wurden deshalb alljährlich vor dem Passahfest mit Kalk übertüncht, oder das Gebiet mehrerer Gräber wurde mit weiß gekalkten aufrecht stehenden Steinen sichtbar eingegrenzt, um eine versehentliche Verunreinigung zu verhindern’.

7 Wenn ein Vergleich argumentativ funktionieren soll, dann muss er treffend sein und darf nicht ‘hinken’. Mt 23.27–28 scheint aber zu ‘hinken’. Das Problem wird in aller Schärfe auch gesehen bei Garland, D. E., The Intention of Matthew 23 (NT.S 52; Leiden: Brill, 1979) 152CrossRefGoogle Scholar (‘the woe is illogical’).

8 Das gilt auch dann, wenn Mt 23.27 eine vormatthäische und von Q verschiedene Version eines Weherufes sein sollte, die Matthäus dann übernommen hätte (dazu vgl. Luz, Matthäus, 340). Auch dann hätte sich Matthäus—immer in vorausgesetzter Kenntnis der traditionellen Q-Version—für dieses Bild und gegen die ‘ungekennzeichneten Gräber’ des Q-Textes entschieden.

9 Rekonstruktion nach P. Hoffmann/C. Heil, Hg., Die Spruchquelle Q. Studienausgabe. Griechisch und Deutsch (Darmstadt/Leuven: WBG/Peeters, 2002)Google Scholar.

10 Luz, Matthäus, 341.

11 Vgl. dazu die Beiträge von Reinbold, Pharisäer; Ebner, M., ‘Antijüdische Tendenzen in den neutestamentlichen Passionsgeschichten’, Die Passion Christi. Der Film von Mel Gibson und seine theologischen und kunstgeschichtlichen Kontexte (hg. R. Zwick/T. Lentes; Münster: Aschendorff, 2004) 139–63, 154–5Google Scholar; Ebner, Matthäusevangelium, 138–9, 142–3; Fiedler, P., ‘Das Matthäusevangelium und “die” Pharisäer’, Studien zur biblischen Grundlegung des christlich-jüdischen Verhältnisses (hg. P. Fiedler; SBAB 35; Stuttgart: Katholisches Bibelwerk, 2005) 209–31, 209–23Google Scholar.

12 Zu den Traditionen dieses Grabes vgl. den präzisen Überblick bei Küchler, M., Jerusalem. Ein Handbuch und Studienreiseführer zur Heiligen Stadt (Orte und Landschaften der Bibel 4/2; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2007) 81–2Google Scholar.

13 Zu den Bauprojekten des Herodes in Jerusalem vgl. Bloedhorn, H., ‘Die Umgestaltung der Stadt Jerusalem durch Herodes’, Herodes und Jerusalem (hg. L.-M. Günther; Stuttgart: Steiner, 2009) 113–34Google Scholar.

14 Der deutsche Text wird für die Rahmenerzählung in den § 179–81, 183–4 nach der Übersetzung von H. Clementz zitiert. Den für unseren Zusammenhang zentralen § 182 habe ich sehr wörtlich selbst übersetzt. Der griechische Text entstammt der Onlineausgabe des TLG.

15 Vgl. Schalit, A., König Herodes. Der Mann und sein Werk (SJ 4; Berlin: de Gruyter, 1969) 653Google Scholar; Günther, L.-M., Herodes der Große (Gestalten der Antike; Darmstadt: WBG, 2005) 203Google Scholar; Lichtenberger, A., Die Baupolitik Herodes des Großen (ADPV 26; Wiesbaden: Harrassowitz, 1999) 155Google Scholar; Vogel, M., Herodes. König der Juden, Freund der Römer (Biblische Gestalten 5; Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 2002) 22–4, 244–5Google Scholar, der zu Recht darauf hinweist, dass auch Nikolaus von Damaskus kein neutraler Historiker war. Unkritischer im Blick auf die von Josephus erzählte Grabraubtradition Richardson, P., Herod. King of the Jews and Friend of the Romans (Edinburgh: T. & T. Clark, 1996) 183Google Scholar.

16 Die auf der Josephusstelle beruhenden Fragmente zum hier interessierenden Sachverhalt finden sich bei Jacoby, F., Die Fragmente der Griechischen Historiker 2A (Berlin: Weidmannsche Buchhandlung, 1926) Nr. 90 (101; S. 383)Google Scholar.

17 Heute würde man am ehesten an den Grabstein denken, der Teil des Grabes ist.

18 Vgl. dazu vor allem Schreiber, S., ‘Das Weihegeschenk Gottes. Eine Deutung des Todes Jesu in Röm 3,25’, ZNW 97 (2006) 88110, 100–105Google Scholar.

19 Vgl. Deissmann, A., ‘ΙΛΑΣΤΗΡΙΟΣ und ΙΛΑΣΤΗΡΙΟΝ. Eine lexikalische Studie’, ZNW 4 (1903) 193212, 195–6CrossRefGoogle Scholar.

20 Das ist die Wertung des Josephus. Historisch plausibel ist hingegen, dass Herodes das Grabmal entweder errichten lässt, um die Erinnerung an David als Ktistes der Stadt Jerusalem wachzuhalten und ihn mit einer Art Heroon zu ehren, wie dies in den Kolonie- bzw. Apoikiestädten der griechisch-römischen Welt üblich war (so die These etwa bei Küchler, Jerusalem, 81; zum Hintergrundphänomen Leschhorn, W., ‘Gründer der Stadt’. Studien zu einem politisch-religiösen Phänomen der griechischen Geschichte [Palingenesia 20; Stuttgart: Steiner, 1984]Google Scholar; zu Herodes als Ktistes vgl. Jacobson, D. M., ‘King Herod's “Heroic” Public Image’, RB 95 [1988] 386403, 394–9Google Scholar; zu Jerusalem als Mutterstadt, die ihrerseits Kolonien gründet—ein Topos, der vor allem im Werk Philos von Alexandrien zu finden ist—, vgl. Klauck, H.-J., ‘Die heilige Stadt. Jerusalem bei Philo und Lukas’, Gemeinde—Amt—Sakrament. Neutestamentliche Perspektiven [hg. H.-J. Klauck; Würzburg: Echter, 1989] 101–29, 109–11Google Scholar). Oder aber die Errichtung des Grabmales steht im Kontext eines auch im Judentum vorhandenen Ahnenkultes, der an den Gräbern greifbar wird und an dem sich Herodes als ‘frommer Jude’ in vorderster Position profilierend beteiligt; so die These bei Lichtenberger, Baupolitik, 146–9, 155; Bernett, M., Der Kaiserkult in Judäa unter den Herodiern und Römern. Untersuchungen zur politischen und religiösen Geschichte Judäas von 30 v. bis 66 n. Chr. (WUNT 203; Tübingen: Mohr Siebeck, 2007) 158–9Google Scholar Anm. 454; zum jüdischen Ahnenkult in Bezug auf die Gräber vgl. noch immer Jeremias, J., Heiligengräber in Jesu Umwelt (Mt. 23,2 29; Lk. 11, 47). Eine Untersuchung zur Volksreligion der Zeit Jesu (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1958)Google Scholar.

21 Etwa von H. Clementz und R. Marcus (LCL).

22 So bei Vogel, Herodes, 244.

23 Vgl. Lichtenberger, Baupolitik, 154.

24 Vgl. zum Gesamtzusammenhang den instruktiven Beitrag von Fischer, M. L./Stein, A., ‘Josephus on the Use of Marble in Building Projects of Herod the Great’, JJS 45 (1994) 7985CrossRefGoogle Scholar. Sie zeichnen nach, dass Josephus im Blick auf Bauwerke Herodes’ des Großen im Bellum viel häufiger von Marmorverwendung spricht, in den Antiquitates hingegen grundsätzlich den Begriff Marmor im Blick auf Werke des Herodes vermeidet und etwa ‘weißen Stein’ als Baumaterial anführt, was die archäologischen Gegebenheiten in der Tat besser einfängt, aber auch zum Programm einer kritischeren Herodesdarstellung in den Antiquitates passt.

25 Vgl. dazu Bernett, Kaiserkult, 158–9; Japp, S., Die Baupolitik Herodes’ des Großen. Die Bedeutung der Architektur für die Herrschaftslegitimation eines römischen Klientelkönigs (Internationale Archäologie 64; Rahden: Verlag Marie Leidorf, 2000) 112–14Google Scholar.

26 Entsprechend werten auch Vogel, Herodes, 202; Bernett, Kaiserkult, 158 Anm. 454, die Ausstattung des Grabes als prachtvoll und schön.

27 So die Überlegung bei Lichtenberger, Baupolitik, 155 Anm. 789; Jeremias, Heiligengräber, 58–9.

28 Vgl. Bernett, Kaiserkult, 158–9; Lichtenberger, Baupolitik, 143–9; Japp, Baupolitik, 112–14.

29 Es ist die archäologische Situation, die es sehr wahrscheinlich macht, Herodes als Bauherrn zu werten.

30 Griechischer Text und deutsche Übersetzung nach der Edition von O. Michel/O. Bauernfeind.

31 So Lichtenberger, Baupolitik, 144; Keel, O./Küchler, M., Orte und Landschaften der Bibel. Ein Handbuch und Studien-Reiseführer zum Heiligen Land 2: Der Süden (Zürich/Göttingen: Benziger/Vandenhoeck & Ruprecht, 1982) 680–1Google Scholar.

32 Vgl. zur Sache Fischer/Stein, Josephus, 80.

33 Im Falle von Hebron geht es um eine von Herodes geschaffene große Einfassungsmauer, die den gesamten Grabkomplex einspannt.

34 Und zwar wohl gegen Q 11.44: τὰ μνημεῖα. Analog: Q 11.47 (τὰ μνημεῖα τῶν πϱοϕητῶν) par Mt 23.29 (τοὺς τάϕους τῶν πϱοϕητῶν).

35 Vgl. dazu den Beitrag von R. Lufrani in der Onlineausgabe der Biblical Archaeological Review: ‘Have the Tombs of the Kings of Judah Been Found? A Response’, http://www.bib-arch.org/scholars-study/burial-caves-of-saint-etienne-lufrani-answer.asp [abgerufen am 30.11.2011], der bei Josephus eine Tendenz zu einer solchen Unterscheidung findet. Dann wäre auch die Rede von τὰ μνημεῖα in Bell 4,531–2 in diesem Sinne zu verstehen.

36 Schwarz, G., ‘Unkenntliche Gräber? (Lukas XI. 44)’, NTS 23 (1977) 345–6CrossRefGoogle Scholar, 345, geht entsprechend von Synonymen aus.

37 Luz, U., Das Evangelium nach Matthäus (Mt 26–28) (EKK 1/4; Düsseldorf/Neukirchen-Vluyn: Benziger/Neukirchener, 2002) 405–6Google Scholar, vermutet, dass sich die Frauen nicht in der leeren Grabkammer umgesehen haben, weil sie dem Engel gehorchen wollen, ‘der ihnen geboten hat, “schnell” zu handeln. Darum gehen sie “schnell” von der Grabkammer weg’. Aber der Engel hatte ihnen nach V. 6 auch aufgetragen, den Ort zu betrachten, wo Jesus gelegen hatte, also in das Grab zu gehen. Warum sollten sie also nicht in das Grab hineingegangen sein, auch wenn Matthäus das nicht explizit erzählt, sondern nur durch die verwendeten Begriffe für Grabmal und Grab andeutet?

38 Vgl. die Darstellung der Felsgräber im Kedrontal bei Küchler, Jerusalem, 698–730. Als Illustration von Mt 23.29 fungieren diese Felsgräber auch bei Riesner, R., ‘Herodianische Architektur im Neuen Testament’, Neues Testament und hellenistisch-jüdische Alltagskultur. Wechselseitige Wahrnehmungen. III. Internationales Symposium zum Corpus Judaeo-Hellenisticum Novi Testamenti 21.–24. Mai 2009, Leipzig (hg. R. Deines/J. Herzer/K.-W. Niebuhr; WUNT 274; Tübingen: Mohr Siebeck, 2011) 165–96, 181–4Google Scholar.

39 Ein Beispiel dafür ist das Jasongrab in Jerusalem, vgl. Küchler, Jerusalem, 1029–36 (innere Ausgestaltung der Grabkammer mit Menorot, Schiffsszenen, einem Hirsch sowie Inschriften).

40 So Bauer, W., Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments (Berlin: Töpelmann, 5 1958) 876Google Scholar; Gemoll, W., Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch (München/Wien: Freytag/Hölder-Pichler-Tempsky, 9 1965) 446Google Scholar.

41 Vgl. die Onlineausgabe des Liddell/Scott/Jones im Rahmen des Perseus-Projekts (http://www.perseus.tufts.edu/hopper/ [abgerufen am 30.11.2011]).

42 Vgl. zur Sache Kiesow, G., ‘Vom echten Marmor bis zum Marmorieren’, Monumente 17 (2007) 60–1Google Scholar; Beard, G., Stuck. Die Entwicklung plastischer Dekoration (Zürich: Atlantis, 1988) 10, 1920Google Scholar.

43 Dass im Kontext der am Westabhang des Hinnomtals gelegenen Grabanlage für die Familie des Herodes ebenfalls weiße Steine verwendet worden sind, sei an dieser Stelle nur noch angemerkt (vgl. Küchler, Jerusalem, 1024–9).

44 So etwa bei Fiedler, P., Das Matthäusevangelium (Theologischer Kommentar zum Neuen Testament 1; Stuttgart: Kohlhammer, 2006) 354Google Scholar; Gielen, M., Der Konflikt Jesu mit den religiösen und politischen Autoritäten seines Volkes im Spiegel der matthäischen Jesusgeschichte (BBB 115; Bodenheim: Philo, 1998) 314Google Scholar; Gnilka, J., Das Matthäusevangelium (14,1–28,20) (HThK 1/2; Freiburg i. Br.: Herder, 1988) 290–1Google Scholar; Grundmann, W., Das Evangelium nach Matthäus (ThHK 1; Berlin: Evangelische Verlagsanstalt, 2 1971) 494Google Scholar; Hagner, D. A., Matthew 14–28 (Word Biblical Commentary 33B; Dallas: Word, 1995) 671; Luz, Matthäus, 341Google Scholar; Sand, A., Das Evangelium nach Matthäus (RNT; Regensburg: Pustet, 1986) 460–1Google Scholar. Einen alternativen Motivhintergrund bietet Lachs, S. T., ‘On Matthew 23:27–28’, HThR 68 (1975) 385–8, 385–6Google Scholar, der m.E. zu Recht betont, dass der Verweis auf das jährliche Kalkweißen für das Verständnis von Mt 23.27–28 nicht wirklich hilft und seinerseits die Rede von ‘τάϕοις κεκονιαμένοις’ als Anspielung auf Ossuare oder Urnen versteht. Vgl. auch Derrett, J. D. M., ‘Receptacles and Tombs (Mt 23 24–30)’, ZNW 77 (1986) 255–66Google Scholar, der auf Ps 5.10 als möglichen Referenztext verweist.

45 Als ein Beispiel sei die Erläuterung bei Fiedler, Matthäusevangelium, 354 Anm. 54, skizziert: Matthäus könne mit gewisser Berechtigung von schönen Gräbern sprechen, weil diese für die jährliche Übertünchung von Pflanzen befreit würden.

46 Vgl. zu solchen Versuchen, die sich oft auf die Begriffe κεκονιαμένοις und ὡϱαῖοι beziehen (Matthäus meine nicht geweißte, sondern anders geartete Grabmäler; Matthäus wolle die Grabmäler nicht als ‘schön’ bezeichnen) die konzise Darstellung bei Davies, W. D./Allison, D. C., A Critical and Exegetical Commentary on the Gospel According to Saint Matthew (Mt XIX–XXVIII) (ICC; London: T&T Clark, 2004) 300302Google Scholar; Garland, Intention, 154–7.

47 Zum Herodesbild des Matthäus vgl. jetzt etwa Wick, P., ‘König Herodes: Messiasanwärter, Pharao, Antichrist. Das Herodesbild des Matthäusevangeliums und seine Parallelen zu dem des Josephus’, Herodes und Jerusalem (hg. L.-M. Günther; Stuttgart: Steiner, 2009) 61–9Google Scholar.

48 So m.E. zu Recht Gielen, Konflikt, 314 mit Anm. 150; Rölver, O., Christliche Existenz zwischen den Gerichten Gottes. Untersuchungen zur Eschatologie des Matthäusevangeliums (BBB 163; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2010) 326 Anm. 1009Google Scholar. Insofern ist für Matthäus die weiße Farbe tatsächlich noch eine Warnfarbe. Aber er nimmt zugleich wahr, dass dies in seiner Umwelt gerade nicht mehr eine quasi natürliche Gleichung ist, wiewohl Gräber prinzipiell auch für die Adressaten des Weherufes eine Unreinheitsquelle sein müssen, damit der Vergleich überhaupt funktioniert.

49 Zum Vorwurf von Geiz und Habgier (πλεονεξία) im Blick auf Herodes vgl. Jos., Ant 15.7. Zur negativen Bewertung von πλεονεξία vgl. auch Jos., Ant 15.89, 90, 130.

50 Schalit, Herodes, 653, vermutet sogar, dass die Tradition vom Grabraub des Herodes, die bei Josephus überliefert wird, eine pharisäische Erfindung ist, um Herodes zu diskreditieren.

51 Dem steht allerdings entgegen, dass Matthäus die Kombination von Herodianern und Pharisäern, die sich in Mk 3.6 findet, streicht, indem er die Herodianer nicht erwähnt (Mt 12.14).

52 Ein Bezug von Mt 23.29–30 auf die Bautätigkeit des Herodes findet sich auch bei Lichtenberger, A., ‘“Sieh, was für Steine und was für Bauten!”. Zur Rezeption herodianischer Architektur im Neuen Testament’, Zeichen aus Text und Stein. Studien auf dem Weg zu einer Archäologie des Neuen Testaments (hg. S. Alkier/J. Zangenberg; TANZ 42; Tübingen: Francke, 2003) 209–21, 214–6Google Scholar.

53 Zudem soll nach jüdischer Tradition, auf die Jeremias, Heiligengräber, 57–8, verweist, das Grab des Propheten Jesaja in unmittelbarer Nähe der Königsgräber in Jerusalem liegen, so dass auch aus dieser Warte ein gewisser Zusammenhang zwischen Propheten- und Königsgräbern besteht.

54 Der Terminus geht auf Luz, U., Die Jesusgeschichte des Matthäus (Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 1993) 20, 75–9Google Scholar, zurück.

55 Zur Gemeindesituation des Matthäus, auf die ich hier nicht näher eingehen will, vgl. nur die Beiträge von Luz, U., Das Evangelium nach Matthäus (Mt 1–7) (EKK 1/1; Düsseldorf/Neukirchen-Vluyn: Benziger/Neukirchener, 5 2002) 84100Google Scholar; Luz, Jesusgeschichte, 21–32, 152–3; Ebner, Matthäusevangelium, 141–5; Ettl, C., ‘“Warum so heftig, Matthäus?”. Zum Problem des Anti-Judaismus im Matthäusevangelium—ein fiktiver Monolog’, Oleum Laetitiae. Festgabe für P. Benedikt Schwank OSB (hg. G. Brüske/A. Haendler-Kläsener; Jerusalemer Theologisches Forum 5; Münster: Aschendorff, 2003) 112–23, 115–23Google Scholar; Konradt, M., Israel, Kirche und die Völker im Matthäusevangelium (WUNT 215; Tübingen: Mohr Siebeck, 2007) 379–91Google Scholar. Speziell zum ‘Sitz im Leben’ der Pharisäer vgl. Fiedler, Pharisäer, 227–31.