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Mein Umgang Mit Dem Schönen Geschlecht

Published online by Cambridge University Press:  28 October 2020

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Summary

[60r]

Wenn ich in meinem 56ten Jahr diese Erinnerungen aus meinem Leben mir zurückrufe, so geschieht es zum Theil um des Vergnügens willen, welches sie mir vor jetzt gewähren, zum Theil, um meinen Kindern, die noch in der Jugend blühen (auch manchen sorglosen Eltern) hie u. da ein Warnungs- Täflein zu hinterlassen.

Mit regeren Gefühlen für das schöne Geschlecht ist wohl niemand geboren worden als ich. Den Frauen verdanke ich meine süssesten Stunden; sie haben mich aber auch zu mancher Thorheit verleitet, und mehr als einmal mich auf Abwege geführt.

Schon als Kind war ich öfter kindisch verliebt. Den ersten Eindruck dieser Art machte auf mich eine Demoiselle Völker aus Jena, eine schon etwas be - jahrte Jungfrau, die unser Haus bisweilen besuchte. Doch hatte sie das Glück, mein Herz zu rühren, wohl am meisten einem grossen Fische von Pappe zu danken, den sie mir schenkte. Dieser Fisch that sich auf, wenn man an einem Faden zog, und in seinem Bauch lag ein Kind von Wachs. Die Freude, die ich an diesem Kunstwerk hatte, schmückte zugleich die Geberin mit jugendlichen Reizen, und länger als Kinder gewöhnlich pflegen, vergalt ich ihr das Geschenk durch meine Liebe. Doch war diese Liebe noch von ruhiger Art. Eine andere, die schon mehr der Leidenschaft glich, trat an ihre Stelle.

Der Kanzler Schmidt1 in Weimar hatte eine Nichte, ein eben nicht schönes, aber liebenswürdiges Mädchen. Ihre Augen hatten einen Fehler, die thränten fast beständig, dennoch hatte sie mit diesen Augen nicht allein mein Herz entzündet, sondern auch das Herz meines Oheims, eines wackeren Stiefbruders meiner Mutter, der, als Hofrath u. Amtmann in Jena, nicht alt gestorben ist. Damals war er noch Secretair, aber doch schon im Stand eine Frau zu ernähren, u. meine Geliebte wurde seine Braut. Diese Treulosigkeit— denn ich hatte mir stets mir ihrer Liebe geschmeichelt—erregte zum Erstenmal in mir die hässigsten Quaalen der Eyfersucht. Ich geberdete mich so ungestüm, daß meine Mutter würcklich die Liebenden ersuchen mußte, sich wenigstens in meiner Gegenwart nicht zu küssen; denn ich weinte und schluchzte dann, als ob mir das ärgste Unglück widerfahren wäre. In dieser Zeit bekam ich die natürlichen Blattern, lag drey

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Tage blind, phantasierte sehr heftig u. mein Leben war in Gefahr. Ich errinnere mich noch sehr deutig, daß ich im Fieber: Paroxysmus einen Jäger sah, der nicht weit von meinem Bette stand, u. mit seinem Gewehr auf mich zielte.

Type
Chapter
Information
Goethe Yearbook 27 , pp. 273 - 304
Publisher: Boydell & Brewer
Print publication year: 2020

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