Skip to main content Accessibility help
×
Hostname: page-component-77c89778f8-fv566 Total loading time: 0 Render date: 2024-07-17T10:37:48.067Z Has data issue: false hasContentIssue false

Aufklärungskulturgeschichte Bemerkungen zu Judentum, Philologie und Goethe bei Ludwig Geiger

Published online by Cambridge University Press:  03 May 2023

Stephen D. Dowden
Affiliation:
Brandeis University, Massachusetts
Meike G. Werner
Affiliation:
Vanderbilt University, Tennessee
Get access

Summary

IN DEUTSCHLAND HABEN Wissenschaftler Hemmungen, von jüdischen Intellektuellen zu sprechen. Das Motiv erscheint auf den ersten Blick lauter: man möchte nicht erneut Menschen ausschließen, die sich selbst allenfalls sekundär durch ihr Judentum bestimmten, und sie zu einem Untersuchungsgegenstand zusammenfassen, obwohl sie offenbar wenig eint. Die Nationalsozialisten stehen vor ihren Augen und wie sie 1933 viele Deutsche erst zu Juden gemacht haben. Gegen diese Haltung hat sich Gershom Scholem mit großer Entschiedenheit gewandt: “Nachdem sie als Juden ermordet worden sind, werden sie nun in einem posthumen Triumph zu Deutschen ernannt, deren Judentum zu betonen ein Zugeständnis an die antisemitischen Theorien wäre. Welche Perversion im Namen eines Fortschritts, der den Verhältnissen ins Auge zu schauen nach Möglichkeit meidet.” Als ob es die Juden und ihre Schwierigkeiten nicht auf eine andere Weise gegeben hätte, als es die Deutschen damals durchsetzten.

Der Hemmung, über jüdische Intellektuelle zu sprechen, kommen die Forscher, die Scholem geisselt, argumentativ nach. Sie sagen: Aufgrund der Schwierigkeiten, die Juden zu definieren, kann man allenfalls die Art untersuchen, in der über sie gesprochen wurde und in der sie selbst über sich gesprochen haben, also die Fremd- und Selbstbestimmungen. Die Diskurs- und Systemtheorie läßt sich dafür benutzen. Sie unterscheidet zwischen den Diskursen und den Menschen. Doch eigentlich anerkennen sie nur die Macht der Diskurse und interessieren sich nicht dafür, ob die Menschen sich den Diskursen widersetzen. Die Menschen, die in den Diskursen (oder Systemen) agieren, tauchen als Größe nur auf, wenn sie sich als Gruppe den Diskursen fügen. Zur Vorstellung von der Macht des Diskurses tritt also die Vorstellung einer faktischen Identität des Gegenstands, ohne die es diesen Gegenstand nicht gibt. Von Juden kann man demzufolge nur spre chen, wenn der Antisemitismus sie durchgreifend und einheitlich geformt hat. Diese Trennschärfe gibt es natürlich nicht. Für diese Forscher schafft die Themenstellung erst den Gegenstand. Als kritische Geister fühlen sie sich verpflichtet, das Thema zu verhindern.

Zu dieser Verdrehung einer kritischen Position kann es nur kommen, wenn man an der Identität festhält und glaubt, die Menschen, die es nicht zu dieser Identität gebracht haben, vor den Historikern schützen zu müssen. Doch was tut man mit den Qualen dieser Menschen und ihren Lösungen? Ich bevorzuge daher eine dialektische Vorstellung: die Auffassung, daß auch die Negativität eine Realität hat.

Type
Chapter
Information
German Literature, Jewish Critics
The Brandeis Symposium
, pp. 59 - 78
Publisher: Boydell & Brewer
Print publication year: 2002

Access options

Get access to the full version of this content by using one of the access options below. (Log in options will check for institutional or personal access. Content may require purchase if you do not have access.)

Save book to Kindle

To save this book to your Kindle, first ensure coreplatform@cambridge.org is added to your Approved Personal Document E-mail List under your Personal Document Settings on the Manage Your Content and Devices page of your Amazon account. Then enter the ‘name’ part of your Kindle email address below. Find out more about saving to your Kindle.

Note you can select to save to either the @free.kindle.com or @kindle.com variations. ‘@free.kindle.com’ emails are free but can only be saved to your device when it is connected to wi-fi. ‘@kindle.com’ emails can be delivered even when you are not connected to wi-fi, but note that service fees apply.

Find out more about the Kindle Personal Document Service.

Available formats
×

Save book to Dropbox

To save content items to your account, please confirm that you agree to abide by our usage policies. If this is the first time you use this feature, you will be asked to authorise Cambridge Core to connect with your account. Find out more about saving content to Dropbox.

Available formats
×

Save book to Google Drive

To save content items to your account, please confirm that you agree to abide by our usage policies. If this is the first time you use this feature, you will be asked to authorise Cambridge Core to connect with your account. Find out more about saving content to Google Drive.

Available formats
×