Abstract: In diesem Artikel werden neue medienwissenschaftliche Ansätze von Gisbert Ter-Nedden und Robert Vellusig vorgestellt, die den medientechnologischen Wandel im 18. Jahrhundert ergründen und dessen Wirkung bis in die Gegenwart verfolgen. Ausgehend von der Briefkultur und dem Briefroman des 18. Jahrhunderts zeigt dieser Ansatz, wie in der Literatur eine neue Erlebniskultur geschaffen wird, die den Menschen zum “Augenund Ohrenzeugen” des Geschehens macht und Emotionen weckt, wobei diese Rezeptionsweise vergleichbar mit derjenigen von Filmen und den neuen sozialen Medien sei. Durch Elemente der Mündlichkeit wird eine Unmittelbarkeit des Daseins geschaffen, die Einblick in das Bewusstsein anderer Menschen ermöglicht und eine neue Dimension des Erlebens erreicht. In einem zweiten Schritt wird dieser theoretische Ansatz auf Bestseller wie Rouseaus Julie, ou La Nouvelle Héloïse oder Henry Fieldings The History of Tom Jones, a Foundling angewandt und gezeigt, dass deren Anziehungskraft gerade in den Merkmalen der Mündlichkeit liegt, die diese Unmittelbarkeit des Erlebens erzielen. Durch Elemente wie kurze Briefe, monologähnliche Reflektionen oder Dialoge wird eine Dramatisierung des Romans erreicht, die, wie anschlieβend ausgeführt wird, den umgekehrten Schritt, nämlich die Adaption dieser Romane für das Drama erlaubt, den Franz von Heufeld in einigen seiner Komödien für die Wiener Bühne erfolgreich vollzogen hat.
Keywords: Mediengeschichte, Erlebniskultur, Mündlichkeit, Briefroman, Romanadaption, Drama, history of media, culture of experience, orality, epistolary novel, adaption of the novel
FILME, DIE SCHWIERIGKEITEN und Auseinandersetzungen von Menschen, ihre Leiden und Freuden zeigen, laden das Publikum zur Teilnahme an dem Schicksal der Protagonisten ein und rühren dabei nicht selten zu Tränen. Gebannt folgen wir dem Geschick der Menschen, versetzen uns in ihre Lage, haben Mit-Leid und werden emotional bewegt. Filme dieser Art—man denke an Klassiker wie Casablanca, Love Story oder Titanic—machen den Zuschauer zum “Augen-und Ohrenzeugen” eines fiktiven Geschehens, wie Gisbert Ter-Nedden und in seiner Nachfolge Robert Vellusig sagen würden. Diese Medienwissenschaftler fragen nach der Wirkung von Medien und ihrer Geschichte. Ter-Nedden bezeichnet das Kino als “eine neuartige Bewusstseinsdroge,” die auf die Zuschauer durch technische Mittel audio-visueller Art wirke. Dass Kunst, vor allem Dichtung und Drama die Leidenschaften der Menschen aufrührt, ist bekanntlich ein wichtiges Konzept in der Antike und schon da werden Geschichten erzählt, die den Zweck haben, bei den Zuschauern Lachen oder Furcht und Mitleid zu erregen. “Mit den Lachenden lacht, mit den Weinenden weint, das Anlitz des Menschen,”