Wenn zu Recht behauptet wird, dass die Ethnomusikologie erst durch den Phonographen und seine Möglichkeit, das in der Zeit ablaufende Musikphänomen festzuhalten und zu fixieren, um es immer von neuem einer Untersuchung unterziehen zu können, zur Wissenschaft wurde, so kann man ebenfalls die These aufstellen, dass die Ethnomusikologie sich erst dann zu einer modernen sozial-und musikwissenschaftlichen Disziplin entwickelte, als sie sich geeignete Mittel zur analytischen und systematisierenden Erfassung des Musikphänomens geschaffen hatte. Ja man könnte sogar soweit gehen und die Behauptung aufstellen, dass das wissenschaftliche Niveau der jeweiligen ethnomusikologischen Forschungen vom Stand der ethnomusikologischen Klassifikation und Systematisierung abhängt, d.h. von der Fähigkeit, in den musikalischen Organismus einzudringen, sich seiner inneren Beziehungen und Komponenten bewusst zu werden und anderseits die analytischen Ergebnisse zu sichten und zu vergleichen, sie im Zusammenhang zu sehen und in stilgeschichtliche, regionale, ethnische und interethnische Bezugssynthesen zusammenzufassen. Ohne eine solche Arbeitsweise wären weder die hervorragenden Ergebnisse etwa der finnischen und ungarischen ethnomusikologischen Schulen noch die umfangreichen und grundlegenden ethnomusikologischen Werke z.B. von I. Krohn, Fr. Densmore, B. Bartók und F. Kolessa entstanden.