Am 1. oktober 1786 folgt Wilhelm Heinse, damals vierzig Jahre alt, dem Ruf an den erzbischöflichen Hof in Mainz und wird Vorleser des Kurfürsten und Erzbischofs Friedrich Karl Joseph Freiherr von Erthal. Daß Heinse in die Dienste eines katholischen Kirchenfürsten tritt, dürfte zu seinen Lebzeiten Verwunderung hervorgerufen haben und hat neuerdings zu Vermutungen über einen Wechsel in der religiös-kirchlichen Einstellung des Dichters geführt. Bis dahin hatte Heinse nie aus seinem Haß gegen Kirche, Religion und Gesellschaftsmoral einen Hehl gemacht. Gegen die kirchliche Métropole Mainz zeigte er sogar eine besondere Abneigung. Am 5. Februar 1772 schrieb er aus Erlangen an seinen Freund Joseph Schwarz entrüstet iiber Wielands Wunsch, ihn zu einem Abbé des päpstlichen Nuntius zu machen, “daß alle Götter der Freuden mich davor behüten möchten, daß ich ein Diener eines Dieners des Nachfolgers der Ungeheuer würde”. Lieber wollte er des Hungers sterben, als einen solchen Schritt tun. Sich in den Pfaffenorten Wien oder Mainz niederzulassen, bedeutete ihm in einem Brief an Gleim vom 17. April desselben Jahres soviel, wie in die Holle reisen zu müssen. Von der Landschaft und der Lage von Mainz ist er immer entzückt gewesen. Mit dem breiten Strom vor dem herrlichen Rund des Gebirges, so schreibt er auf der Ruckreise von Italien 1783 in sein Tagebuch, sind ihm Stadt und Fluß ein prächtiges Amphitheater der Natur; und noch 1789 preist er die Gegend als die erste und herrlichste am ganzen Rhein (VII, 290 u. 321). Aber so sehr er von dem Naturparadies des Mainzer Landes begeistert ist, so abfàllig äußert er sich gegen Kirche, Religion und Gesetze dieser Gegend, wo die Menschen niemals fröhlich werden sollen und “durch Trübsal und ganze Sumpfe voll Ungemach in's Reich Gottes wandern müßten”.