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Tieck, Eckbert und das Kollektive Unbewußte

Published online by Cambridge University Press:  02 December 2020

V. C. Hubbs*
Affiliation:
Hofstra College, Hempstead, N. Y.

Extract

Die dunkle welt der dämonischen Mächte, wie sie bei Tieck und anderen vorkommt, ist der Philologie ein Gegenstand von höchstem Interesse, weil sie als Zeugnis der Einbildungskraft und der Ungeheuer-lichkeit des Problematischen im menschlichen Intellekt dasteht. Diese Traumwelt, deren phantastische und rätselhafte Eigenschaften aufierhalb der tastbaren Erfahrungen des realen Weltalls schweben, gewährt dem Menschen einen Blick in das Zeitlose, in das Unendliche hinein, und wird deshalb von der Tiefenpsychologie eifrig durchforscht, weil sie als eine Widerspiegelung des Unbewußten aufgefaßt wird und weil sie vielleicht zu einem Verständnis des menschlichen Seelenlebens und der Seelenkrankheiten führen könnte. Ludwig Tieck blickte zitternd in das Reich des TJnbewuCten hinein und wurde von seiner Grenzenlosigkeit bezaubert, ohne zu wissen, was diese Welt des Unendlichen eigentlich sei, und ohne es zu ahnen, daß er in Gefahr stand, die reale Welt ganz aus dem Auge zu verlieren und in den Bereich des Unbewufiten völlig hineinzustärzen. Ja, er spekulierte sogar, daß das Reich der Träurne die wahre Welt sein könnte und das Bewußtsein dagegen ein Verdammern oder eine Hemmung. Die Neigung zum Unbewußten zog ihn so mächtig an, daß er sich oft in dieser unendlichen Welt verlor und sich einbildete, er habe Geister aus dem Jenseits gesehen. Gläcklicherweise sind diese Gesichte von der Welt des TJnbewuCten nur vergängliche Erfahrungen gewesen, sonst hätte Tieck das Schicksal anderer Dichter erlitten und die Hälfte seiner Tage im Irrenhaus zugebracht, denn sich im Unbewußten zu verlieren bedeutet geisteskrank zu werden.

Type
Research Article
Information
PMLA , Volume 71 , Issue 4-Part-1 , September 1956 , pp. 686 - 693
Copyright
Copyright © Modern Language Association of America, 1956

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References

1 “Friedrich von Raumer Letters,” contributed by Zeydel & Matenko, in Germanic Review Texts, No. 2 (New York, 1930), p. 21–22.

2 Willi Busch, Das Element des Ddmonischen in Ludwig Tiecks Dichtungen (1911), S. 13.

3 C. G. Jung, Analytische Psychologie und Erziehung: 3 Vorlesungen gehalten in London im Mai 1924 (Niels Kampmann Verlag, 1926), S. 69–70.

4 “Der Abgrund, der zwischen Faust 1. Teil und Faust 2. Teil sich auftut, trennt auch die psychologische Art des Kunstschaffens von der visionären. Hier kehrt sich ailes um: der Stoff oder das Erlebnis, das der Gestaltung zum Inhalt wird, ist nichts Bekanntes; es ist von fremdartiger Natur, wie aus Abgriinden vormenschlicher Zeitläufte oder wie aus Licht- oder Dunkelwelten übermenschlicher Natur stammend, ein Urerlebnis, dem menschliche Natur in Schwäche und Unbegreifen zu erliegen droht. Der Wert und die Wucht liegen auf der Ungeheuerlichkeit des Erlebnisses, das fremd und kalt oder bedeutend und erhaben aus zeitlosen Tiefen auftaucht, einerseits von schillernder, dämonischgrotesker Art, menschliche Werte und schöne Formen zersprengend, ein schreckenerre-gender Knäuel des ewigen Chaos oder ein ‘crimen laesae majestatis humanae,‘ um mit Nietzsche zu reden.” Jung, Gestaltungen des Unbewußten (Zurich, 1950), S. 11.

5 Kopke, Ludwig Tieck: Erinnerungen aus dem Leben des Dichters nach dessen Mündlichen und Schriftlichen Mittheilungen (Leipzig, 1855), 1. Theil, S. 13.

6 Ludwig Tiecks Werke, hrg. von G. L. Klee (Leipzig & Wien, 1905), S. 73–74.

7 Ausfûhrliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie, hrg. von W. H. Roscher (Leipzig, 1890–97), Bd. ii, S. 367.

8 Aniels Jaffe, Bilder und Symbole aus E. T. A. Hojfmanns Màrchen “Der goldne Topf,” in Jung, Gestaltungen, S. 294.

9 vgl. Schillers Gedicht Das verschleierte Bild zu Sais und Hoffmannsthals Märchen Die Bergwerke zu Falun.

10 G. H. v. Schubert, Ahndungen einer allgemeinen Geschichte des Lebens (Leipzig, 1806), 1. Theil, S. 337.

11 Die Unsterblichkeit wird durch die Unzerstörbarkeit von Walter und dem Vogel dargestellt.

12 Zeydel, Ludwig Tieck the German Romanticist (Cincinnati, 1935), S. 37–38.

13 Nämlich, Der blonde Eckbert, Franz Sternbalds Wandemngen und Peter Lebrecht. Interessant ist es auch, dafi Varnhagen von Ense, in einem Brief an Bernhardi (den 6. Februar 1809), auf die Möglichkeit eines solchen Verhaltnisses hingedeutet hat.

14 C. G. Jung, Seelenprobleme der Gegenwart (Zurich, 1946), S. 185.

16 Obgleich Tieck sich fur die romische Kirche interessierte, ist er nie katholisch geworden.