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Andreas Gryphius, Der Rebell

Published online by Cambridge University Press:  02 December 2020

Von Curt Von Faber Du Faur*
Affiliation:
Yale University, New Haven, Conn.

Extract

Gryphius' Stellung unter den Barockdichtern ist eine besondere. Er trat der Weltordnung mit einer Forderung gegenüber, die kein anderer zu stellen wagte, und wenn er sich auch zu zähmen suchte, so stieg doch die Wucht der Anklage während seines Lebens immer an, ja man kann fast sagen: je gefügiger die Worte werden, desto mehr tobt in ihm die Rebellion. Er selbst war sich wohl dessen nicht bewußt, er hielt sich fur einen guten Christen und war es auch, aber er konnte sich nie der Resignation wirklich ergeben. Wir fühlen in seinen Schriften ein ständiges Brodeln wie in einem Vulkan, der einem Ausbruch nahe ist. Die Lava ist nie tobend übergeflossen, denn die Schwere der Gesteinsmassen, die darüber lagen, war nicht zu durchstoßen. Er war keiner von denen, die mit den Dingen leicht fertig werden; er war von Natur schwer und aus dieser Schwere heraus, aus dieser gehemmten Anlage seines Wesens, brannte seine Flamme nie ruhig; seine Sprache, mächtig und reich, muß schwerflüssig und stokkend gekommen sein.

Type
Research Article
Copyright
Copyright © Modern Language Association of America, 1959

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References

1 Oden, 2. Buch, vi, Vers 19–24.

2 Leo Armenius, Vers 510–511.

3 Oden, 2. Buch, vi, Vers 5–14.

4 Sonette 4, iii, Vers 5.

5 Die Widmung dieses Buches an Johann Christoph Schönborn ist vom Nov. 1646 datiert.

6 Das merkwürdigste an dieser Ode ist etwas Äußeres: sie ist reimlos, in sechshebigen Jamben mit Caesur nach der sechsten Silbe, enthält eine Einteilung in sechs Strophen zu sechs Versen. Das letzte Wort jeder Strophe wird am Ende des ersten Verses der nächsten wiederholt, das Endwort der ersten Zeile ist dasselbe wie das der letzten, die Endworte aller Zeilen werden an rythmisch wichtigen Stellen wiederholt: stehn, Dunst, Phantasie, Traum, Tod u.s.w. Sie ver-klammern das Gedicht, aber ailes Reimen ist absichtsvoll vermieden.

7 Das Jüngste Gericht wurde in dieser Zeit als ganz nahe bevorstehend erwartet, bei Gryphius sind die Anspielungen auf die kommende Katastrophe unzählig, neben den ganz dem Thema gewidmeten Gedichten. Vgl. dazu Dietrich Korn, Das Thema des Jüngsten Tages in der deutschen Literatur des 17. Jahrhunderts (Tübingen, 1957), S. 78–85.

8 Das Autobiographische in vielen der wichtigsten Gryphius-Gedichte wird betont von Erich Trunz in Wege zum Gedicht, hrsg. von Rupert Hirschenauer und Albrecht Weber (München-Zürich, 1956), S. 71.

9 Andreas Gryphius Lyrische Gedichte, Herausg. von Hermann Palm (Tübingen, 1884), S. 474 ff.

10 Den ersten Hinweis auf die Bedeutung der Farben in Gryphius' Dichtung gab Ernst Gnerich in seiner Einleitung zu der Ausgabe der Herodes-Epen (Leipzig, 1906), S. xvi.

11 Klassiker der Kunst, v, Tafel 240, 241, 205.

12 Ibid., Tafel 194, 195.

13 Ibid., Tafel 118.

14 Erich Trunz weist in seiner Analyse von Gryphius' “Allés ist eitel” auf die Häufigkeit der Bibelzitate bei Gryphius hin und auf die schnelle Erinnerung der bibelfesten Leser des Jahrhunderts an die Stellen aus denen sie entnommen waren (Die Deutsche Lyrik, hrsg. von Benno von Wiese, Düsseldorf, 1956, S. 145).

15 Christian Gryphius' Ausgabe setzt hier versehentlich “erretten” statt “errötten,” was sinnwidrig ist.

16 Schon im lateinischen Herodes-Epos lässt Gryphius Tod, Hunger, Schlaf und Pest als Personen auftreten, hier aber sind sie Werkzeuge der Unterwelt. Vgl. F.-W. Wentzlaff-Eggebert, Andreas Gryphius' lateinische und deutsche Jugenddichiungen (Leipzig, 1938), S. xvi.

17 Die Lyrik des Andreas Gryphius (Berlin, 1904), S. 167.

18 (Braunschweig, 1649), S. 98–99.

19 In einem frùheren Kapitel (xxvi.20) hatte Jesaias mit ähnlichen Worten etwas ganz anderes geraten, nämlich sich vor Gottes Augen zu verbergen: “Gehe hin mein Voik, in deine Kammer, und schleuss die Türe nach dir zu, verbirg dich einen kleinen Augenblick, bis der Zorn vorübergehe.” Eine viel kindlichere Vorstellung vom Wesen des Vatergottes herrscht hier: man tut besser daran, ihm in solchen Momenten nicht unter die Augen zu treten.

20 O.O.u. J.; Vorrede datiert Wien, den 1. Juli 1657.

21 Augustus Buchner bringt auf S. 5 im “Ersten Diseurs” seines Poet von 1665 einen Satz zur Théorie des Grauenhaften in der Kunst: “Massen wir ein schönes Gemälde meistentheils mit grösserer Lust und angenehmer Bewegung, als das Ding selbsten, dessen Gemälde es ist, ansehen.”

22 Gryphius schreibt “vergiesset,” was den Doppelsinn von vergiessen und vergessen erzeugt.

23 Vgl. Dietrich Korn, Das Thema des Jüngslen Gerichts in der deutschen Literatur des 17. Jakrhunderts (Tübingen, 1957).

24 Johannes Althusius schreibt in seiner Politica melhodice digesta (Herborn, 1603): “Quod deus est in universo, lex est in societate.”

25 Mir liegt die Ausgabe Nürnberg, 1661, vor, die Beispiele von Ereignissen bis zum Jahre 1642 gibt, also aus Meyfarts Todesjahr, z.B. S. 42.

26 Falsch nummeriert als 553.

27 Joachimi Neanderi Bundes-Lieder (Franckfurt und Leipzig, 1700), S. 42.

28 Schluss des 1648. Jahres.

29 Schon Aristoteles wirft in seiner Metaphysik (Übersetzung von J. H. von Kirchmann, Philosophische Bibliothek, Berlin, 1871, i, 23) die Frage auf, ob die Götter aus Neid die wahre Wissenschaft von den Menschen zurückhalten. Die Dichter behaupten es, aber Aristoteles hält es für eine ihrer Fabeln. Die Götter sind des Neides nicht fähig. Es sei Simonides gewesen, der nur die Götter für würdig des Ehrengeschenks der freien Wissenschaft gehalten habe.

30 Vgl. dazu Blakemore Evans, “The Attitude of Andreas Gryphius Toward the Supernatural” in Studies in German Literature in Honor of A. R. Hohlfeld (Madison, 1925), S. 105: “There is then… in this matter of the supernatural at least a partial contradiction between the poetical practice of Gryphius and his own personal belief.”