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Staatstypus und Verwandtschaftssystem

Published online by Cambridge University Press:  21 August 2012

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Das Problem der sogenannten klassifikatorischen Verwandtschaft ist, seitdem Lewis H. Morgan 1871 zum ersten Mal auf die vergleichsweise sehr umfänglichen Verwandtschaftssysteme der Naturvölker aufmerksam machte, immer wieder von den Ethnologen der Alten und der Neuen Welt angegangen worden. Vor allem durch die Forschungen von Rivers und Thurnwald und durch die Untersuchungen von Kroeber und Malinowski erwies sich die Beantwortung der Frage nach Entstehung, Bedeutung und Funktion des klassifikatorischen Systems als ungemein schwieriges Problem. Nicht nur eine Fülle von Sonderfragen tauchte infolge der scharfsinnigen Betrachtung einer grossen Anzahl von primitiven Verwandtschaftsordnungen seitens der zuständigen Fachkenner auf, sondern mehrfach wurde auch direkte Kritik an der von Morgan aufgewiesenen und dann besonders von Rivers weiter entwickelten Problemstellung über die Erscheinung des klassifikatorischen Systems überhaupt geübt.

Résumé

TYPE D'ÉTAT ET SYSTÈME DE PARENTÉ

Cet article est un résumé d'une étude d'ensemble, qui considère les rapports entre les systèmes de parenté et l'organisation sociale parmi les tribus et les peuples de l'Afrique, de l'Océanie et de l'Amérique du Nord. Après un court résumé historique sur la parenté classificatoire, qui reste problématique, il expose une nouvelle méthode fondée sur les résultats d'enquêtes ethno-sociologiques. Il semble en résulter que dans certaines organisations sociales le système de la parenté classificatoire est lié à l'origine à un ensemble de communautés sociales et familiales, tandis que le système de parenté appelé descriptif paraît être relié à un système social et familial hiérarchisé. L'étude établit d'autre part une distinction essentielle à propos de la structure de la famille hiérarchisée (patria potestas) qui se rencontre non seulement en Asie et en Afrique, mais en Océanie.

Type
Research Article
Copyright
Copyright © International African Institute 1939

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References

page 217 note 1 Die nachfolgenden Ausführungen stellen den kurzen Bericht über eine eingehende Untersuchung von Familienordnung, Verwandtschaftsordnung und Staatsordnung in drei Erdräumen, Afrika, Ozeanien und Amerika, an Hand einer Reihe von Völkern dar.

page 217 note 2 Morgan, L. H., Systems of Consanguinity and Affinity of the Human Family, Washington, 1871.Google Scholar

page 217 note 3 Rivers, W. H. R., ‘On the Origin of the Classificatory System of Relationship’ (Anthropological Essays presented to Ed. B. Taylor), Oxford, 1907.Google Scholar, Dsl., Kinship and Social Organisation, London, 1914.Google Scholar, Dsl., Social Organisation, London, 1924.Google Scholar, Dsl., History of Melanesian Society, London, 1914.Google ScholarThurnwald, R., ‘Soziale Organisation und Verwandtschaftsnamen bei Primitiven’, Z. f. vgl. Rechtswissenschaft 36, 1920.Google Scholar, Dsl., Die Menschliche Gesellschaft, Bd. ii, Berlin, 1932Google Scholar. , Dsl., Die Gemeinde der Banaro, Stuttgart, 1921.Google Scholar

page 217 note 4 Kroeber, A. L., ‘Classificatory Systems of Relationship’, Journ. Roy. Anthr. Inst. 39, 1909Google Scholar. Malinowski, B., ‘Kinship’, Man, 17, 1930.Google Scholar

page 218 note 1 Rivers definiert das klassifikatorische Verwandtschaftssystem folgendermassen: Ganze Gruppen von Verwandten erhalten mit Vater, Mutter, Bruder, Schwester usw. die gleiche Anrede. Die Verwandten werden also in Klassen zusammengefasst. Doch handelt es sich hierbei lediglich um eine Nomenklatur: jedes Volk mit klassifikatorischem System unterscheidet z. B. den sozialen Vater —d. h. nicht notrwendig den physiologischen — von den mit ihm klassifizierten Personen. Die klassifikatorischen Ausdrücke bezeichnen bestimmte soziale Funktionen (Pflichten, Privilegien, Schranken), die sowohl auf genealogische wie auf klassifikatorische Verwandte angewendet werden. Das klassifikatorische System hängt von Verwandtschaft und Sippenordnung, von der Mitgliedschaft in Familie sowie Clan (bzw. moiety) ab.Rivers, W. H. R., Social Organisation, London, 1924Google Scholar. Das klassifikatorische System ist in mehreren Hauptvarietäten und vielen wichtigen Modifikationen in Asien, Ozeanien, Afrika, Amerika und in Spuren auch in Europa vertreten. Sein hervorstechendster Zug liegt in der Ausdehnung des Gebrauchs von Ausdrücken, die enge physiologische Verwandtschaft bezeichnen, auf ganze Klassen von nicht durchweg verwandten Personen. Es ist typischerweise mit dem Clan verbunden. Nach Thurnwald besteht die klassifikatorische Verwandtschaft darin, dass es nicht auf eine Einteilung nach Nähe und Ferne von Verwandtschaftsgraden ankommt, sondern auf eine Gruppe von Menschen, denen bestimmte zeremonielle, wirtschaftliche, politische oder sonstwie sozial wichtige Verbindlichkeiten oder Ansprüche zustehen. Thurnwald, R., Die Menschliche Gesellschaft, Bd. ii, Berlin, 1932.Google Scholar

page 219 note 1 Werder, P. von, ‘Herrschaft und Gemeinschaft im Westsudan’, Africa, vol. x, no. 3 07, 1937).Google Scholar

page 219 note 2 Werder, P. von, ‘Sozialgefüge in Westafrika’, Z. f. vgl. Rechtswiss. 52, 1937Google Scholar. , Dsl., Staatsgefüge in Westafrika, Stuttgart, 1938.Google Scholar

page 219 note 3 hierzu, S.Freyer, H., Einleitungin die Soziologie, Leipzig, 1931, S. 136 f.Google Scholar

page 220 note 1 S. hierüber den Schluss meiner Arbeit Staatsgefüge in Westafrika, l.c.

page 220 note 2 Vgl. hierfür auch rnein Buch Gemeinschaft und Herrschaft als Staats- und Kulturtypen, Stuttgart, 1938.Google Scholar

page 221 note 1 Neumann, G., ‘Die genossenschaftliche Gesellschaftsform der nordamerikanischen Indianer’, Z.f. Ethnologie, 64, 1932.Google Scholar

page 221 note 2 Steinen, D. von den, ‘Das Ständewesen der Polynesier’, Z. f. vgl. Rechtswiss. 42, 1927.Google Scholar

page 221 note 3 Thurnwald, R., Die Menschliche Gesellschaft, Bd. 4, Berlin, 1935, S. 33Google Scholar ff. Eickstedt, E. von, Rassenkunde und Rassengeschichte der Menschheit, Stuttgart, 1934, S. 785.Google Scholar

page 222 note 1 W. Schmidt fuhrt das Fehlen der klassifikatorischen Verwandtschaftsbezeichnungen bei den hamito-semitischen Völkern versuchsweise darauf zurück, dass alle nichtklassifikatorischen Völker nomadisierende Tierzüchter sind. Bei diesen stand nicht wie bei den übrigen Völkern der Stamm am Ende der Entwicklung, sondern die patriarchale Grossfamilie — infolge der Ausbildung des Privateigentums und der isolierenden Lebensform des Nomadismus. Schmidt, W. und Koppers, W., Völker und Kulturen, Regensburg, 1924, S. 141.Google Scholar

page 222 note 2 Vgl. hierzu Ajisafe, A. K., The Laws and Customs of the Yoruba People, London, 1924Google Scholar. Burns, A. C., History of Nigeria, London, 1929Google Scholar. Dennet, R. E., Nigerian Studies, London, 1910Google Scholar. Ellis, A. B., The Yoruba-Speaking Peoples, London, 1894Google Scholar. Frobenius, L., Und Afrika sprach, Berlin, 1912Google Scholar. Johnson, S., The History of the Yoruba, London, 1921Google Scholar. Talbot, P. A., The Peoples of Southern Nigeria, London, 1926.Google Scholar

page 222 note 3 S. hierüber P. von Werder, Staatsgefüge in Westafrika, I.c.

page 223 note 1 Ellis fand 30 Jahre früher noch fünf Gruppen des Verwandtschaftssystems (je zwei über und unter dem Sprecher) vor und nahm eine historische Spezialisierung auf die engere Blutsverwandtschaft als Folge des Clanverfalls an. Die richtigere Erklärung dürfte aber im Vordringen der Herrschaft als Sozialsystem (sowohl in Form der Herrschaftsfamilie als auch der Despotie) durch ein blutsmässig patriarchal bestimmtes Volkstum liegen, die das ganze Land erfasste und durchdrang. In moderner Zeit ist bereits wieder eine rückläufige Entwicklung eingetreten: die patriarchalen Elemente weichen vor den gerontogenen zurück (Egba, &c).

page 223 note 2 Vgl. hierzu Labouret, H., Les Manding et leur Langue, Paris, 1934Google Scholar. Tauxier, Ferner L., Le Noir du Soudan, Paris, 1917Google Scholar. , Dsl., Le Noir du Bondoukou, Paris, 1921Google Scholar. , Dsl., La Religion Bambara, Paris, 1927Google Scholar. Spannaus, G., Züge aus der politischen Organisation afrikanischer Völker und Staaten, Leipzig, 1929Google Scholar. Delafosse, M., Haut-Sénégal-Niger, Paris, 1912Google Scholar. Meyer, P. C., ‘Erforschungsgeschichte und Staatenbildung des Westsudan’, Erg. Heft Peterm. Mitt. Nr. 121, Gotha, 1897Google Scholar. Baumann, H., ‘Vaterrecht und Mutterrecht in Afrika’, Z.f. Ethn. 58, 1926.Google Scholar

page 224 note 1 Hofmayr, W., Die Schilluk, Mödling, 1925Google Scholar. Spannaus, G., I.e. Seligman, C. G., Pagan Tribes of the Nilotic Sudan, London, 1932Google Scholar. Westermann, D., The Shilluk People, Philadelphia, 1912.Google Scholar

page 224 note 2 Wir hören von zwei Grundtypen der Verwandtschaftsordnung in Afrika, die in Gegensatz zum europäischen System (family system) stehen. Einem typisch klassifikatorischen System steht ein deskriptives System gegenüber, dessen extremste Form in Westafrika (Edo) begegnet. Diese Extremform kennt Bezeichnungen für Vater, Mutter, Kind und Heiratsverwandte, redet jedoch alle übrigen Verwandten mit Ausdrücken an, die aus den vier Grundausdrücken zusammengesetzt werden und die Verwandtschaftsbeziehung genau beschreiben (deskriptiv). Vgl. oben über Yoruba und Mandingo.

page 225 note 1 Die ausgesprochene patria potestas der jüngeren afrikanischen Hamiten erwähnt H. Baumann, I.e., S. 137. Vgl. hierzu ferner Junod, H., The Life of a South African Tribe, London, 1927, pp. 63, 226Google Scholar sowie A. Richards, I., Hunger and Work in a Savage Tribe, London, 1932, pp. 33, 77, 144Google Scholar, 154 (S. 78 wird die patria-potestas-Beziehung zwischen Vater und Sohn als Muster für den Regierungsaufbau bezeichnet), auch Schapera, I., The Bantu-Speaking Tribes of South Africa, London, 1937, PP. 70 174, 176, 188.Google Scholar

page 225 note 2 S. über den strukturellen Zusammenhang zwischen dem genossenschaftlichen Sozialsystem Gemeinschaft und dem Typus der klassifikatorischen Verwandtschaft auch den Abschnitt über Nordamerika.

page 225 note 3 Lindblom, G., The Akamba, Uppsala, 1920Google Scholar. Hobley, C. W., Akamba and other East African Tribes, Cambridge, 1910.Google Scholar

page 226 note 1 Hierin zeigt sich eine gewisse Ahnlichkeit mit den neueren Mandingo und den Samoanern (s. Abschnitt über Ozeanien). Beide Völker kennen die Herrschafts-familie, leben aber mangels einer grosseren Unterschicht, mit der sie eine ständische Schichtung und eine eigentlich staatliche Organisation herbeiführen können, in weitgehend selbständigen grossfamilialen Einheiten.

page 227 note 1 Firth, R., We, the Tikopia, A Sociological Study of Kinship in Primitive Polynesia, London, 1936.Google Scholar

page 227 note 2 Jarves, J. J., History of the Hawaiian Islands, Honolulu, 1872Google Scholar. Alexander, W. D., History of the Hawaiian People, New York, 1891Google Scholar. Fornander, A., ‘Hawaiian Antiquities and Folklore’ (On Hawaiian Rank), Mem. Bern. Bish. Mus. Vol. vi, Honolulu, 1919-1920Google Scholar. Steinen, D. von den, I.e. Hogbin, H. J., Law and Order in Polynesia, London, 1934Google Scholar. Morgan, L. H., I.e. und Ancient Society, New York, 1878.Google Scholar

page 228 note 1 Mühlmann, W. E., ‘Staatsbildung in Polynesien’, Z.f. Ethn. 65, 1933Google Scholar. Williamson, R. W., Social and Political Systems of Central Polynesia, vol. i, ii, Cambridge, 1924. D. von den Steinen, I.c.Google Scholar

page 228 note 2 Auch R. Firth vermutet als grundlegende Gruppe den Grossfamilientypus mit den für Polynesien üblichen sozialen und wirtschaftlichen Wesenszügen. R. Firth, I.c., p. 5 84.

page 228 note 3 Mariner, W., Natives of the Tongan Islands, London, 1818.Google ScholarWilliamson, R. W., l.c. Gifford, E. W., Tongan Society, Honolulu, 1929. H. J. Hogbin, I.e. D. von den Steinen, I.c.Google Scholar

page 229 note 1 Krämer, A., Die Samoa-Inseln Bd. 1, Hamburg, 1902Google Scholar. Williamson, R. W., I.c. Steinen, D. von den, I.c. Mead, M., Social Organisation of Manua, Honolulu, 1930Google Scholar, Hogbin, H. J., I.c. Schultz, E., ‘The Most Important Principles of Samoan Family Law’, Journ. Polyn. Soc., 1911.Google Scholar

page 230 note 1 Vgl. die Sozialsysteme der Mandingo und Akamba, bei denen ebenfalls die Herrschaftsfamilie und ein Rats- und Versammlungswesen vorhanden ist. P. von Werder, I.e. und G. Lindblom, I.c.

page 230 note 2 Dass dieses aber sehr wohl auch unter gerontogenen Voraussetzungen (Gemeinschaftsfamilie und genossenschaftliche Autoritäten) geschehen kann, zeigt etwa das Beispiel des westafrikanischen Aschantireiches. S. hierüber P. von Werder, I.c. Die Aschanti haben bezeichnenderweise, in Übereinstimmung mit ihrem genossenschaftlichen Sozialstil, ein klassifikatorisches Verwandtschafts-system. Rattray, R. S., Ashanti, Oxford, 1923.Google Scholar

page 230 note 3 Swanton, J. R., ‘Social Organisation and Social Usages of the Indians of the Creek Confederacy’, Ann. Rep. Bur. Am. Ethn., 42, Washington, 1928.Google Scholar

page 231 note 1 Zur Beurteilung der genossenschaftlichen Ständeschichtung vgl. auch Jong, J. de, ‘The Natchez Social System’, Proc. 23. Intern. Congr. Am. (1928), New York, 1930. Die nach aussen theokratische ‘Stände’gesellschaft der Natchez mit Adel und Volk wird ebenfalls eine gerontogene Herrschaft gewesen sein, da beide Klassen nur wechselseitig heiraten durften. De Jong nimmt an, dass der ‘Adel’ in Wahrheit eine alte obere Phratrie und das ‘Volk’ eine untere darstellte, sodass in den beiden Schichten nur exogame Abteilungen weiterlebten.Google Scholar

page 231 note 2 Radin, P., ‘The Winnebago Tribe’, Ann. Rep. Bur. Am. Ethn., 37, 1923.Google Scholar

page 232 note 1 Reichard, G. A., Social Life of the Navajo Indians, Col. Univ. VII. 1928.Google Scholar

page 232 note 2 Swanton, J. R., ‘The Haida’, Mem. Am. Mus. Nat. Hist. vol. v, New York, 1905Google Scholar. Adam, L., ‘Stammesorganisation und Häuptlingstum der Haida und Tsimshian’, Z.f. vgl. Recktswiss. 30, 1913.Google Scholar