from Focus: Brecht & Büchner
Die Thematik der Revolution nimmt sowohl bei Bertolt Brecht als auch bei Georg Büchner einen bedeutenden Stellenwert ein. Sei es in den frühen Schriften Brechts wie Trommeln in der Nacht, in den Lehrstücken wie Die Maßnahme, Der Jasager und Die Mutter oder später auch in Mutter Courage, immer wird dabei mit der Revolution eine gerechte und menschliche Gesellschaft eingeklagt, die sich im Zuge einer bisweilen bedingungslosen Fortschrittsgeschichte verwirklichen soll. Kritisiert werden die herrschenden bürgerlichen Verhältnisse, die überhaupt erst zur Unterdrückung der Massen führen, und die es auf dem Weg in eine bessere, heilversprechende Welt zu überwinden gilt. Als einem der ersten deutschen Revolutionsdramatiker begegnet man dieser Kritik schon bei Georg Büchner, wenn er Schuld weniger dem Individuum als vielmehr den herrschenden Verhältnissen zuweist, sowie in Dantons Tod die ins Stocken geratene soziale Revolution einfordert, die über den Status quo der auf das Bürgertum beschränkten Partizipation hinausgeht. Das materielle Elend, dem sich insbesondere die Figuren des Volkes gegenübersehen, rückt bei ihm in den Mittelpunkt und entlarvt den wirklichen Gehalt der bürgerlichen Maximen von Freiheit und Unschuld.
Erst vor dem Hintergrund dieser angestrebten Überwindung der bestehenden Ordnung lässt sich bei beiden Autoren das motivische Wesen der Revolution und ihre poetische Funktion verstehen. Anlässlich der Brecht-Tage 2002, die sich der Frage nach “Brechts Glauben” widmeten, hat Wolfgang Emmerich noch einmal auf die verwandtschaftlichen Beziehungen der Geschichtsphilosophien mit christlichen Glaubenvorstellungen hingewiesen. Anstatt das frühe zwanzigste Jahrhundert mit Lukács “transzendentaler Obdachlosigkeit” zu lesen oder mit Weberscher Askese als eine entzauberte, in calvinistischem Protestantismus befangene Welt, hebt er mit Löwiths Weltgeschichte und Heilsgeschehen die theologische Dimension der Geschichtsphilosophie hervor, die auch in der Moderne ungebrochen ihre Gültigkeit besitze. Dieser “qualitative Sprung zur Aufladung sozial engagierter irdischer Bewegungen mit geborgtem diesseitigen Heil” ist sowohl in Büchners als auch in Brechts Revolutionsverständnis enthalten. Erst dieser “Sprung” verleiht “ihren” Revolutionskonzepten jene heilsgeschichtliche, erlösende Dimension, die (revolutionäre) Erhebungen legitimatorisch benötigen. Allen Säkularisierungsbestrebungen und Profanierungsversuchen zum Trotz bleiben auch die Geschichtsphilosophien “ganz und gar abhängig von der Theologie” und damit “von der theologischen Ausdeutung der Geschichte als eines Heilsgeschehens.” Indem die Geschichte dem “biblischen Glauben an eine Erfüllung” verhaftet bleibt, mündet sie, aus aufklärerischer Perspektive gesprochen, bestenfalls in die “Säkularisierung ihres eschatologischen Vorbildes.”
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