Als im September 1997 Bertolt Brechts und Hanns Eislers Maßnahme am Berliner Ensemble Premiere hatte, war dies vor allem ein musikalisches Ereignis, handelte es sich doch um die deutsche Erstaufführung der kompletten Eislerschen Musik seit dem Kollaps der Weimarer Republik und den ab 1932 einsetzenden Aufführungsverboten seitens der Nationalsozialisten (oder aus Furcht vor ihnen). Kurz vor seinem Tod erließen Brecht und der sich ihm anschließende Eisler ein eigenes Aufführungsverbot, dabei im Blick habend, dass politische Entwicklungen in der Sowjetunion seit Stalin sowie der inzwischen vorherrschende Kalte Krieg zwischen den Machtblöcken nicht nur zu Missverständnissen und politisch ungewollten Umdeutungen des Stückes führen könnten, sondern dass mit der Liquidierung der deutschen Arbeiterbewegung ab 1933 auch für die Maßnahme aufführungspraktisch entscheidende Arbeiterchortraditionen unwiederbringlich zerstört worden waren. Seitdem war Eislers Partitur nicht mehr freigegeben worden, lediglich der veröffentlichte Klavierauszug ließ die hohe Qualität der Musik erahnen. Die Londoner BBC-Aufführung 1987, initiiert durch John Willett und mit kompletter Eisler-Musik, sowie diejenige 1995 an der Berliner Studentenbühne BAT mit reduzierter Wiedergabe am Klavier (anstelle des laut Partitur verlangten Instrumentalensembles) verwiesen zugleich auf den urheberrechtlich erzeugten Mangel an Produktionen. Doch diese beiden Aufführungen trugen nicht zuletzt wegen ihrer großen Resonanz zur Aufweichung und schließlich Rücknahme des Verbots durch die Brecht-Erben bei. Somit hatte die Maßnahme bis zu ihrer endgültigen Freigabe im Vorfeld des 100. Geburtstags von Brecht eine gegensätzliche, fast schon kuriose Doppelexistenz: einerseits als weltweit gedruckter und in Übersetzungen verfügbarer, öffentlich diskutierter Brecht-Text; andererseits mit Eislers Musik, die selbst Spezialisten nahezu unbekannt blieb.
Es ist zu fragen, was in all den Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg gelesen, diskutiert, analysiert und aufgeführt wurde. Nicht etwa die Maßnahme Brechts und Eislers, sondern nur ein Teil davon: der Text in seinen Druckfassungen bzw. in seiner theatralen Umsetzung. Doch hatten bereits Brecht und Eisler darauf verwiesen, dass sie ihr Werk – als Gegenstück zur Schuloper Der Jasager entwickelt – vom ersten Wort bis zum letzten Takt Musik in intensiver Zusammenarbeit geschaffen hatten: “Ich bin doch jeden Tag” – erinnerte sich Eisler – “ein halbes Jahr von neun Uhr vormittags bis ein Uhr mittags in seiner Wohnung, ich glaube, am Knie, gewesen, um die Maßnahme zu produzieren, wobei der Brecht gedichtet hat und ich jede Zeile kritisiert habe.” Die Musik war also kein nachträglich Hinzugefügtes, wie umgekehrt auch der Text nicht nur Brechts Autorenschaft zu verdanken war.