Schillers Verhältnis zur Ästhetik ist bisher fast ausschließlich unter der Perspektive seiner Kant-Rezeption betrachtet worden. Was sich darüber hinaus an Hinweisen auf Vorkantisches, vor allem auf die sogenannte “Popularphilosophie” des 18. Jahrhunderts findet, erschöpft sich meist in bloßen Titelangaben oder übernommenen Zitaten. So tauchen Baumgarten, Mendelssohn, Garve oder Sulzer, um nur die wichtigsten Anreger zu nennen, lediglich in den Anmerkungen der historisch-kritischen Gesamtausgaben oder in kleinen, wenig beachteten Spezialuntersuchungen auf, während sie in zusammenfassenden Darstellungen häufig übergangen werden, um Schillers ästhetische Anschauungen nicht in den Bereich des “Obskuren” herabziehen zu müssen. Besonders in der Zeit um 1900, die im Zeichen eines blühenden Neukantianismus stand, herrschte fast durchweg die Meinung von Udo Gaede: “Von einem positiven Einfluß dieser Studien [gemeint sind die Popularphilosophen] auf Schillers Schriften wird man im allgemeinen kaum sprechen können. Ihre Theorien waren durch Kants Begründung der Ästhetik überwunden, und Schillers Ideen beruhten zu sehr auf Kant, als daß er sich anders als ablehnend gegen sie hätte verhalten können.”