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Zur Geschichte Einiger Neidhartschwänke

Published online by Cambridge University Press:  02 December 2020

Hilde von Anacker*
Affiliation:
University of Chattanooga

Extract

Es ist in der neueren Literatur über die deutsche Dorfpoesie verschiedentlich versucht worden, die eigenartige Stellung des Dichters Neidhart von Reuental zu erklären, ihn gleichsam zu erlösen aus seiner “splendid isolation,” in der er sich als Anreger einer vorher in der deutschen Literatur nie überlieferten Gattung befindet. Für. seine formellen und stilistischen Eigenheiten wurde auf die Carmina Burana verwiesen. Sicher bestehen auch direkte Beziehungen zwischen Neidharts Dichtung und der früheren Vagantenlyrik, wie das Günther darstellt. Aber trotz vieler verblüffender Übereinstimmungen, trotz Natureingang, Mutter-Tochterdialogen, Gespielinnen- und Tanzliedern, die alle schon bei den Vaganten vertreten sind und von hier z.T. über die lateinische Schulpoesie bis auf spätklassische Vorbilder zurückgeführt werden können, bleiben doch bei Neidhart und seiner Schule eine Menge neuer Motive. Namentlich die Winterlieder sind reich an Zügen, die der Vagantenlyrik fremd sind und die auch die Pastourelle nicht kennt. Zu einem Teil sind sie geschichtlich bedingt, wie die Kritik der protzigen, süddeutschen Bauern, die fast gleichzeitig in der ganzen mhd. Literatur auftaucht, aber doch von Baiern-Österreich ausgeht. Dann aber handelt es sich auch um mehr oder weniger geschickte dichterische Ausgestaltung älterer Anekdoten, wie sie besonders von den Neidhartianern eifrig gepflegt wurde.

Type
Research Article
Copyright
Copyright © Modern Language Association of America, 1933

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References

1 Samuel Singer, Neidhartstudien (Tübingen, 1920), S. 8.

2 W. H. Moll, Über den Einfluss der lateinischen Vagantendichtung auf die Lyrik Walthers und die seiner Epigonen (Amsterdam, 1925); Johanne Osterdell, Inhaltliche und stilistische Übereinstimmungen der Lieder Neidharts mit den Vagantenliedern der Carmina Burana (Diss. Köln, 1928).

3 Johannes Günther, Die Minneparodie bei Neidhart (Jena Diss., Halle, 1931), S. 9 ff.

4 Ri. M. Meyer, “Zur Neidhartlegende,” Zeitschrift für deutsches Altertum, xxxi, 64 ff.

5 Vgl. Gustav Ehrismann, Geschichte der deutschen Literatur bis zum Ausgang des Mittelalters, ii. Teil, zweiter Abschn., S. 128.

6 W. Goiter, “Tannhäuser in Sage und Dichtung des Mittelalters und der neueren Zeit,” Walhalla (1907); und Handbuch der germanischen Mythologie (1895), S. 22 ff.

7 Fr. Keinz, “Beiträge zur Neidhartforschung,” Sitzungsberichte der Münchner Akademie (1888), ii, 317 ff.

8 J. Seemüller, “Zur Poesie Neidharts,” Prager deutsche Studien, viii (1908), 335.

9 Singer, loc. cit., S. 22, zur Trutzstrophe auf des Kaisers Kommen Haupt-Wiessner S. 213, schliesst auf ein verlorengegangenes Lied.

10 Konrad Gusinde, “Neidhart mit dem Veilchen,” Germanistische Abhandlungen, xvii (1899), 2.

11 Ibid., S. 103 und 229.

12 Neidharts Lieder, ed. M. Haupt, neu bearbeitet von Ed. Wiessner (Leipzig, 1923), xxx, 6 ff.

13 Singer, loc. cit., S. 8.

14 Fastnachtspiele aus dem

15 Jahrhundert, ed. A. v. Keller (Stuttgart, 1883), i. 191.

Ir gelæzes nam ich tougenlichen war,

daz ich an den gouchen ofte melde.

16 Dazu Gusinde, loc. cit., S. 131.

17 Hierzu ist zu vergleichen die Teufelsszene im Kleinen Neidhartspiel (Keller, loc. cit.) 197, 2 ff., wo ein Teufel erscheint, um die gefallenen Bauern in die Hölle zu schleppen.

18 Richard Heinzel, Beschreibung des geistlichen Schauspiels im deutschen Mittelalter (L. Voss: Hamburg und Leipzig, 1898), S. 21.

19 Am frühesten bei Otloh von Sankt Emmeram, 11. Jahrhundert, in seiner Visio vigesima tertia (Haupt, ZfdA. vii, 572). Der Teufel, der sich Nithardus nennt, bewirtet den Spielmann Vollarc und seine Gesellen. Ich vermute, dass es neben dieser Fassung eine andere gab, wo Vollarc der Teufelsname war und wo der Spielmann Nithardus bewirtet und wohl dadurch für des Teufels Dienst gewonnen wurde, während die Spielleute bei Otloh sich noch rechtzeitig Gott zuwenden. Dazu wäre der Standpunkt der Geistlichen gegenüber den Spielleuten zu vergleichen: “Habent spem ioculatores? Nullam; tota namque intentione sunt ministri Satanae.” (Siehe H. Steinger, “Fahrende Dichter im deutschen Mittelalter,” Deutsche Vierteljahrsschrift (1930), S. 61 ff. Richard Heinzel, “Abhandlungen zum altdeuschen Drama,” Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften (Wien 1896), S. 78, verweist auf den Fluch im Sterzinger Osterspiel, “Pfui dasz euch der Neidhard schänd.” Vgl. ferner Lexer, Mhd. Handwb., ii, 87, eine Stelle aus Pontus und Sidonia: “Der bôse nittart, ich meine den alten sathenas. …”

20 Altdeutsche Blätter, ed. M. Haupt (Leipzig, 1836), i, 52 ff.

21 Seemüller, loc. cit., S. 326 ff.

22 Joh. Bolte, “Neidhart, die volkstümliche Personifikation des Neides,” Zeitschrift des Vereins für Volkskunde, xv, (1905) 14 ff.

23 Brill, “Neidhartschule” (Palaestra, xxxvii) (Berlin, 1908), 164.

24 Singer, loc. cit., S. 11.

25 Der Ring des Heinrich Wittenwiler, ed. E. Wiessner (Leipzig, 1931).

26 Singer, loc. cit., S. 40.

27 Erzählungen aus altdeutschen Handschriften, ed. A. v. Keller (Stuttgart, 1855), S. 503.

28 Ob dem Dichter des Ringes diese Parallele bewusst war, ist fraglich. Jedenfalls ist auch hier wie im Schwankbuch Neidhart der schlaue Fuchsritter, er führt als Emblem einen Fuchsschwanz, und die Bauern vergleichen den Listereichen mit dem Fuchs (v. 644). Dieser Vergleich findet sich auch im GrNSp, Keller, Fastnachtspiele, S. 447.

29 Günther, loc. cit., S. 25 ff.

30 Brill, loc. cit., S. 150.

31 Gusinde, loc. cit., S. 104 f.

32 Singer, loc. cit., S. 24 zu der Trutzstrophe (Haupt-Wiessner, S. 254), v. 5, “sammir Durinkhart, in geriuwet diu vart,” verweist auf Reinhard Fuchs 145: “sammir Reinhard, ir gât ein üppege vart,” und meint: “Sollte schon damals der Dichter als Nîthart Fuhs bezeichnet worden sein und eine dahingehende Spitze dahinter stecken?”

33 Friedrich Vogt, Die deutschen Dicktungen von Salomon uni Markolf, 1. Bd., Salman und Morolf (Halle, 1880), S. cxvi.

34 N. 74, 18 schenkt ein Bauer einem Mädchen eine Ingwerwurzel, die wohl einfach als Aromatikum geschätzt wurde. Vergl. Heinzelins Minnelehre v. 496: “guoter wurzen vol ir phosen.”

35 Haupt-Wiessner, S. 196 f.

36 Über historische Darstellungen solcher Wämser vgl. Singer, loc. cit., S. 73.

37 Singer, ibid.

38 Im Nachturnier von Wittenwilers Ring kommt eine ähnliche verborgene Bewaffnung auf Seiten Neidharts vor. Während die Bauern nur mit Strohschlägern kämpfen, ist in seinem Schläger ein Stück Eisen eingewickelt.

39 Haupt-Wiessner, S. 206 und 287.

40 Geistliche und weltliche Lieder von Oswald von Wolkenstein, ed. J. Schatz (Wien, 1902).

41 Krieg und Gewitter.

42 In der Zusatzstrophe zu Ellengôz entstellt; muss aber Megengôz heissen.

43 In Wolframs Willehalm VIII, 385, 4 wird urliuge im Gegensatz zu Minne als Kampf gebraucht.

44 Meyer-Benfey, Mhd. Übungsbuch (Halle, 1909), S. 68 ff.

45 Gusinde, loc. cit., S. 223 f.

46 Sachsenspiegel, ed. C. G. Homeyer (Berlin, 1861), iii, §§1 und 2.

47 Keinz, loc. cit., S. 317.

48 Keinz, ibid. Die Hypothese von N.'s Heiratsplänen mit der reichen Bauerntochter Friderûn.

49 F. Schürmann, Die Entwicklung der parodistischen Richtung bei Neidhart von Reuental (Schulprog. Düren, 1898).—Joh. Günther, loc. cit.

50 Singer, loc. cit. S. 13.

51 Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte, i, 208, Rosenhagen, “Dörperliche Dichtung.”