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Die Haustafel als ‘Topos’ im Rahmen der urchristlichen Paränese Beobachtungen anhand des 1. Petrusbriefes und des Titusbriefes1

Published online by Cambridge University Press:  05 February 2009

Hermann Von Lips
Affiliation:
(Mariannenstraße 16, D–60599 Frankfurt/Main, Germany)

Extract

1.1 Seit der Arbeit von Karl Weidinger ist die – im Anschluß an Martin Dibelius ausgearbeitete – These akzeptiert, daß es im Neuen Testament ‘Haustafeln’ gibt. Die seitherige Forschung hat sich zwar nicht zufrieden gegeben mit der von Weidinger vertre-tenen These hinsichtlich der Frage, wo diese Haustafeln ihren religionsgeschichtlichen bzw. traditionsgeschichtlichen Hinter-grund haben. Dennoch wurde überwiegend seine Ableitung von der durch das hellenistische Judentum vermittelten stoischen Pflichtenlehre als plausibel angenommen, wenn auch z.T. nur mangels besserer Alternative. Weniger Resonanz fanden Ver-suche, die Haustafeln ganz vom atl-jüdischen Hintergrund her zu verstehen (Lohmeyer) oder in ihnen genuin christliche Schöpfun-gen zu sehen (Rengstorf, Schroeder). Eine deutliche Modifikation der These Weidingers stellte die Arbeit von Crouch dar, der stärker die jüdisch-hellenistische Ausprägung betonte sowie in der ältesten christlichen Haustafel (Kol) eine speziell anti-enthusiastische Aus-richtung sah.

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References

2 Weidinger, K., Die Haustafeln. Ein Stück urchristlicher Paränese (UNT 14; Leipzig, 1928).Google Scholar

3 Der Begriff, den Weidinger (Haustafeln, 1) von Martin Luther übernommen hat, ist freilich bis heute in seiner genauen Bestimmung strittig. Gnilka, J. (Der Kolosserbrief [HThK 10/1, Freiburg, 1980] 205Google Scholar) meint, besser wäre ‘Ständetafel’, beläßt es aber beim eingebürgerten Begriff; ähnlich Klauck, H.-J., Hausgemeinde und Hauskirche im frühen Christentum (SBS 103; Stuttgart, 1981) 46Google Scholar. Andere Autoren geben eigene Definitionen, ohne daß dies dann ohne weiteres konsensfähig ist (vgl. Schrage, W., ‘Zur Ethik der neutestamentlichen Haustafeln’, NTS 21 (19741975) 122CrossRefGoogle Scholar, dort 2; Strecker, G., ‘Die neutesta-mentlichen Haustafeln’, Neues Testament und Ethik; FS Schnackenburg (Freiburg, 1989) 349–75, dort 349)Google Scholar. Schrage, ‘Haustafeln’, 2: ‘Unter Haustafeln verstehe ich wie üblich diejenigen paränetischen Stücke, die sich formal durch ihre Geschlossenheit und übersichtliche Disposition von der sonst mehr lockeren, regellosen und eklektischen Aufreihung der ntl. Mahnungen abheben und die inhaltlich vor allem das Verhalten der verschiedenen Stände zu ordnen versuchen.’ Diese Definition wiederum wird von Müller, K. (‘Die Haustafel des Kolosserbriefes und das antike Frauenthema’, Die Frau im Urchristentum [hg. G. Dautzenberg u.a.; QD 95; Freiburg 1983] 263319) 266 A.Google Scholar 13 als ‘Beispiel einer formgeschichtlich hinderlichen, ja unbrauchbaren Definition des Begriffs’ kritisiert. Die Streitfrage läuft letztlich darauf hinaus, ob man den Begriff ‘Haustafel’ nur im lupenreinen Sinn des Bezugs auf die Personen der Hausgemeinschaft für angemessen hält oder im – tatsächlich traditionell gewordenen – weiteren Sinne auf eine größere Gruppe inhaltlich vergleichbarer Texte bezieht. Ich halte mich an diese traditionelle Verwendung, von der her eben auch 1Petr und Tit einbezogen werden.

4 Vgl. Lührmann, D., ‘Wo man nicht mehr Sklave oder Freier ist’, WuD 13 (1975) 5383, dort 71–2Google Scholar; ders., ‘Neutestamentliche Haustafeln und antike Ökonomie’, NTS 27 (1981) 8397, dort 85Google Scholar; Müller, ‘Haustafel’, 283–4.

5 Vgl. insgesamt die Darstellungen der Forschungsgeschichte seit Weidinger bei Crouch, J. E., The Origin and Intention of the Colossian Haustafel (FRLANT 109; Göttingen, 1972) 18ff.Google Scholar; Lührmann, ‘Sklave’, 71ff.; Gnilka, Kolosserbrief, 207ff.; Strecker, ‘Haustafeln’, 350ff.

6 Es sind insgesamt vor allem folgende Texte: Kol 3.18–4.1; Eph 5.22–6.9; 1 Petr 2.13–3.7; Tit 2.1–10 sowie Texte aus 1 Tim, v.a. 2.8–15 und 6.1–2, daneben auch 3.1–13; 5.1–22. Außerdem werden noch verschiedene Texte der Apostolischen Väter miteinbezogen. Siehe dazu die bei Weidinger S. 50ff. (VII. Die urchristlichen Haustafeln) behandelten Texte sowie die Zusammenstellung bei M. Dibelius (– Greeven, H.), An die Kolosser, Epheser, an Philemon (HNT 12; 3. Aufl., Tübingen, 1953) 48Google Scholar; vgl. auch die Aufzählung bei Fiedler, P., Art. ‘Haustafel’, RAC 13.1063–4.Google Scholar

7 Vgl. Schrage, ‘Haustafel’.

8 Da die Haustafeln in Kol 3 und Eph 5–6 von allen Autoren in enge Verbindung gebracht werden, wird mit ‘Kol-Eph’ jeweils auf diese beiden Texte gemeinsam Bezug genommen.

9 Vgl. Goppelt, L., Der erste Petrusbrief (KEK 12/1; Göttingen, 1978) 164Google Scholar: unterscheidet die ‘Haustafel’ (Kol, Eph, 1 Petr) von der späteren ‘Ständetafel’ (Past, Did, Barn).

10 Lührmann, ‘Sklave’ 76ff.; ders., ‘Haustafeln’; Thraede, K., ‘Zum historischen Hin-tergrund der “Haustafel” des NT’, Pietas, FS Bernhard Kötting (hg. E. Dassmann und K. S. Frank; JAC Erg. 8; Münster, 1980) 359–68Google Scholar; Balch, D. L., Let Wives Be Submissive: The Domestic Code in 1 Peter (SBLMS 26; Chico, 1981)Google Scholar. Vgl. auch Müller, ‘Haustafel’, 284ff.

11 Siehe die Textbelege bei Lührmann, ‘Sklave’, 76ff.

12 Gelegentlich taucht der Hinweis auf, daß Kol-Eph im Unterschied zu 1 Petr einen christlichen οίκος voraussetze, wodurch sich der Unterschied in den angeredeten Gruppen ergibt. Vgl. Strecker, ‘Haustafeln’, 349 Anm. 2; Lührmann, ‘Haustafel’, 94. Bemerkens-wert Müller, ‘Haustafel’, 269: es ist nicht die Großfamilie (mit Bruder, Schwester, Großeltern) im Blick.

13 Strecker, ‘Haustafeln’, 358–9.

14 Gielen, M., Tradition und Theologie neutestamentlicher Haustafelethik (BBB 75; Frankfurt, 1990) dort 4–5, 375.Google Scholar

15 Gielen, Tradition, 5–6; Thraede, ‘Hintergrund’, 360 Anm. 1: in Past ‘Ständtafel’; Lührmann, ‘Sklave’, 82: gegenüber Kol, Eph und 1 Petr werden später ‘aus den Haustafeln Gemeindeordnungen’; ders., ‘Haustafel’, 95: hier ausdrücklich auf die Past bezogen; Gnilka, Kolosserbrief, 207: ‘… läßt sich von Haustafeln (Ständetafeln) im eigentlichen Sinn nur für Kol, Eph und 1 Petr sprechen. In den Pastoralbriefen liegen “Gemeinde-tafeln” vor’; Fiedler, ‘Haustafel’, 1070: ‘Erst recht wird von den Pastoralbriefen ein H.-Schema in Frage gestellt’; Weiser, A. (‘Titus 2 als Gemeindeparänese’, Neues Testament und Ethik, FS Schnackenburg [Freiburg, 1989] 397414Google Scholar) passim (414: ‘verwehrt es, Tit 2,2–10 als “Haustafel” zu bezeichnen und auszulegen’); E. Schweizer, ‘Die Weltlichkeit des Neuen Testaments: Die Haustafeln’, ders., Neues Testament und Christologie im Werden (Göttingen, 1982; 194210Google Scholar) 207: ‘Tit 2,1ff ist eigentlich gar keine Haustafel mehr, …’; auch Schrage (‘Haustafeln’, 2) konzentriert sich ‘im wesentlichen’ auf die ‘drei ältesten und bekanntesten Beispiele aus Kol., Eph. und 1. Petr.’; Goppelt, , ‘Jesus und die Haustafeltradition’, Orientierung an Jesus, FS J. Schmid (Freiburg, 1963; 93106) 94.Google Scholar

16 Müller, ‘Haustafel’, 267 Anm. 19: ‘Nur hier kommt das “Haus” eindeutig und ohne Überstand in den Blick.’

17 Vgl. die bei Lührmann, ‘Sklave’, 76fF. genannten Quellen und dazu die Feststellung aaO, 79: ‘Das Dreierschema der Haustafeln des Eph und Kol begegnet … nur bei Aristo-teles und Seneca, …’.

18 Vgl. Weiser, ‘Titus 2’, 408–9, 411–12; ähnlich Berger, K., Bibelkunde des Neuen Testaments (UTB; 3. Aufl. 1986) 415.Google Scholar

19 Vgl. Lührmann, ‘Haustafel’, 86 Anm. 28 mit einem Zitat von Hofmann, J. (Die ‘Hausväterliteratur’ und die ‘Predigten über den christlichen Hausstand’ [Weinheim/Berlin, 1959] 25)Google Scholar: Haustafeln ‘im Unterschied zur Ökonomik … nicht für den Hausvater bestimmt, sondern … für die ganze Gemeinde geschrieben’. Vgl. auch Klauck, Hausgemeinde, 47: Der ‘Appellcharakter’ der Haustafel ‘(zielt) nicht auf den einzelnen Haushalt ab, sondern auf die jeweiligen Stände, die sich horizontal durch alle Häuser hindurchziehen’.

20 Angesichts unterschiedlichen Gebrauchs der Begriffe ist eine kurze Klärung erforderlich. ‘Gattung’ wird als übliche Bezeichnung für die gemeinsame Form einer Mehrzahl von Texten verwendet, die zugleich einen gemeinsamen ‘Sitz im Leben’ haben. – Der Begriff ‘Topos’ wird im Anschluß an Bradley verwendet, der damit thematisch bestimmte Einzelteile einer Paränese bezeichnet, ohne daß dabei eine feste, gleich-bleibende Form im Sinne einer Gattung vorliegt. Bradley, David G., ‘The “Topos” as Form in the Pauline Paraenesis’, JBL 72 (1953) 238–46Google Scholar; vgl. auch den – nicht ganz überzeugen-den – Versuch einer Näherbestimmung des Topos im Sinne einer geprägten Form bei Mullins, T. Y., ‘Topos as a New Testament Form’, JBL 99 (1980) 541–7Google Scholar. Der Begriff ‘Topos’ wird durchaus häufiger aufgegriffen, aber dabei in seinem Gebrauch nicht reflektiert oder näher bestimmt. Dies ist m.W. nur bei Bradley ausdrücklich geschehen. (Bergers aus-führliches Register ‘2. Neutestamentliche Formen und Gattungen’ in seiner Form-geschicte des Neuen Testaments [Heidelberg, 1984] enthält nicht das Stichwort ‘Topos’.) Vgl. Schrage, ‘Haustafel’, 2: Haustafel als ‘geläufige(r) Topos der urchristlichen Paränese’; Balch, Wives, 51: Topos ‘concerning household management’; auch Weidin-ger, Haustafeln, 33. – Mit ‘Schema’ soil ausgedrückt sein, daß ein Text durch bestimmte formale oder inhaltliche Elemente strukturiert ist (vgl. Aufbau bzw. Schema einer Wundergeschichte). Im vorliegenden Fall ist an paränetische Texteinheiten gedacht, die durch einzelne Elemente einen bewußten Aufbau erkennen lassen.

21 In Eph 5.21 zudem auf alle Gemeindeglieder in ihrem Miteinander bezogen.

22 Gegen eine inhaltliche Differenzierung beider Wörter für Unterordnung spricht sich Strecker, ‘Haustafeln’, 364 aus. Mit der These eines spezifisch christlichen Gebrauchs von ύποτάσσεσθαι (Rengstorf) setzt sich Müller, ‘Haustafel’, 292 auseinander.

23 Hängt die Verwendung von κύριοι tatsächlich mit dem Wortspiel κύριος – κύριοι zusammen, wie Strecker, ‘Haustafeln’, 369 vermutet? Oder liegt ein Hinweis auf regional verschiedenen Sprachgebrauch vor?

24 Der Vollständigkeit halber ist freilich hinzuzufügen, daß in 1 Petr auch die Sklaven eine andere Bezeichnung als sonst haben, nämlich οίκέται statt δοῦλοι heißen.

25 Dibelius, M.Conzelmann, H., Die Pastoralbriefe (HNT 13; 4. Aufl.; Tübingen, 1966) 5.Google Scholar

26 Vgl. z.B. die Gliederung bei N. Brox, Die Pastoralbriefe (RNT 7/2; Regensburg, 1969); nach G. Holz, Die Pastoralbriefe (ThHK 13; 4. Aufl.; Berlin, 1986) bezieht sich 1.5–9 auf den äußeren, 1.10–3.11 auf den inneren Gemeindeaufbau; ganz allgemein bleiben Borse, U. (1. und 2. Timotheusbrief, Titusbrief [SKK NT 13; Stuttgart, 1985]Google Scholar) und Knoch, O. (1. und 2. Timotheusbrief, Titusbrief [NEB; Würzburg, 1988Google Scholar]), die 1.5–3.11 mit ‘Die Auf-gaben des Titus’ überschreiben.

27 Vgl. Schrage, ‘Haustafel’, 2 mit Anm. 3; zu 1 Petr vgl. Goppelt, 1 Petrus, 163ff.; Weidinger, Haustafeln, 62ff.

28 Die Gemeinsamkeit der Motive 3–5 zwischen Tit und 1 Petr hatte bereits H. J. Holtzmann festgestellt, der von der ‘umgekehrte(n) Reihenfolge der Standespredigt’ spricht. Holtzmann geht dabei von einem ‘Verhältnis schriftstellerischer Abhängigkeit’ zwischen den Past und dem 1 Petr aus (Holtzmann, H. J., Lehrbuch der historisch-kritischen Einleitung in das Neue Testament [3. Aufl.; Freiburg, 1892] 286)Google Scholar. Diese Bezie-hungen zwischen Tit und 1 Petr sind zuletzt von P. Hofrichter thematisiert worden, der ebenfalls eine ‘literarische Abhängigkeit’ des Tit von 1 Petr postuliert (‘Strukturdebatte im Namen des Apostels. Zur Abhängigkeit der Pastoralbriefe untereinander und vom ersten Petrusbrief’, Anfänge der Theologie, FS J. B. Bauer [Graz, 1987] 101–16)Google Scholar. Nicht einleuchten will freilich seine These, ‘Zweck des Titusbriefes’ sei ‘vermutlich allein die Auslegung von 1Petr 5,1–5’ gewesen (104–5).

29 Vgl. die vorige Anmerkung.

30 Hahn, F. (Hg), ‘Einführung’ in: Seeberg, A., Der Katechismus der Urchristenheit (München, 1966 [= 1903]) vii–xxxii, dort xxviiiGoogle Scholar: ‘postbaptismale Unterweisung’. Vgl. K. Berger, Formgeschichte, §40 ‘Postconversionale Mahnrede’.

31 Die Diskussion (vgl. Anm. 1) erwies als strittig, ob man generell von solcher an die Taufe anknupfender Paränese als Praxis in der urchristlichen Gemeinde ausgehen könne, oder ob solche Paränese sich nur literarisch in Gestalt der (im Neuen Testament vorliegenden) Briefparänese vollzogen habe. Doch belegen einige Stellen deutlich, daß in verschiedener Weise Mahnungen (also Paränese) in den Gemeinde praktiziert wurde: so z.B. Kol 3.16 διδάσκοντες καὶ νουθετοῦντες έαυτούς 1 Kor 14.26 őταν συνέρχεσθε, καστος…διδαχἡν χει; 1 Tim 4.13 πρόσεχε … τ παρακλήσει, τ διδασκαλία. Die schriftliche Anweisung zur Mahnung (durch den Amtsträger) in Tit 3.1 spricht ausdrücklich vom ‘Erinnern’ (ύπομίμνησκε), setzt also die doch wohl mündlich bereits erfolgte Ermahnung gleichen Inhalts voraus.

32 Vgl. Ferdinand Hahn, ‘Die christologische Begründung urchristlicher Paränese’, ZNW 72 (1981) 88–99, dort 90, 92.

33 Woran hat man hier bei ‘gemeinsamer Tradition’ zu denken? Dabei ist wohl nicht nur im Sinn der Formgeschichte an geprägte kleine Einheiten zu denken. Eher ist im Sinne von Traditionsgeschichte davon auszugehen, daß bestimmte Motive und Elemente der Paränese – im Rahmen eines Schemas verbunden – tradiert wurden, ohne im Detail festgelegt zu sein.

34 Z.B. Góppelt, 1.Petrusbrief, 164.

35 Vgl. Goppelt, 1.Petrusbrief, 164; Donelson, L. R., Pseudepigraphy and Ethical Argument in the Pastoral Epistles (Tübingen, 1986) 177Google Scholar: ‘although the traditional structure of such material is broken’.

36 Vgl. Wolter, M., Die Pastoralbriefe als Paulustradition (FRLANT 146; Göttingen, 1988) 156ff.CrossRefGoogle Scholar

37 Formgeschichtlich gesehen stellen die Haustafeln Reihen von Mahnsprüchen (mit Begründung) dar. Es liegt dann eine entsprechend der geringeren Zahl von Adressaten kürzere Reihe von Mahnungen vor.

38 Auch in 3.15–16 begegnet nochmals das Motiv zu einem Verhalten alien gegenüber, hier insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Rechenschaft über den Glauben. An-gesichts des Leidensmotivs in V. 17 kann V. 8ff. insgesamt das Verhalten gegenüber den Außenstehenden meinen, zumal die Motive Ähnlichkeit mit den entsprechenden Mahnungen in Röm 12.14ff. und 1 Thess 5.15 zeigen.

39 So z.B. – mit anderen – Lührmann, ‘Sklave’, 80: ‘Schon im 1 Petr wird das Verhältnis zum Staat mit in die Haustafel einbezogen (1 Petr 2.13–3.7).’ Daß die ‘Ökonomie Teil der Politik war’, reicht m.E. nicht aus, um von daher die Staatsmahnung der Haustafel zuzuordnen. Ob Lührmann seine Position modifiziert hat, wenn er später (‘Haustafel’, 94) den Gehorsam gegenüber dem Staat nur noch mit der Haustafel ‘verbunden’ anstatt ‘einbezogen’ sieht, ist nicht ersichtlich.

Grundsätzlich sind hier in der Forschung zwei Positionen sichtbar: die eine sieht das Verhalten gegenüber dem Staat in genuinem Zusammenhang mit der Haustafeltradition – sei es vom Pflichtenschema her (Schrage) oder von der Ökonomie her (Lührmann); die andere sieht darin ein Abweichen und so eine Fortentwicklung von der ursprünglichen Haustafel vorliegen, weil ‘der Bereich des Hauses … verlassen’ wird (Schweizer, ‘Haus-tafeln’, 204). Bemerkenswerterweise verläuft die genannte Trennungslinie demnach unabhängig von den differenten religionsgeschichtlichen Ableitungen!

40 Das Beispiel Röm 13.1–7 zeigt, wie schwer man sich tut, Haustafel und Gehorsam gegenüber dem Staat einander zuzuordnen. Sieht man in 1 Petr und Tit beides als zusammengehörig an, dann liegt es nahe, auch Röm 13 zur Haustafeltradition zu rechnen (vgl. Schrage, ‘Haustafel’, 10). Sieht man aber Röm 13 als eigene Tradition, dann wird nicht plausibel, warum die gleiche Mahnung dann in 1 Petr und Tit Teil der Haustafel sein soll.

41 Die Entwicklung ist dann anders zu sehen als etwa bei Schweizer (‘Haustafeln’, 204ff.): nach ihm wären die politischen Mahnungen ebenso wie die auf die Ordnung in der Gemeinde bezogenen Mahnungen in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium zur Haustafel hinzugetreten. Die oben gezeigten Ansätze bei Paulus lassen aber gerade diese Bereiche als die älteren Bestandteile der Paränese erkennen. Man wird lediglich sagen müssen, daß in dem Maße, in dem sich eine stärker strukturierte Gemeindeordnung ausbildet, auch die gemeindebezogenen Mahnungen stärkere Ordnungselemente bekom-men.

42 Die Differenzierung zwischen ‘usueller’ und ‘aktueller’ Paränese folgt Dibelius, M., Die Formgeschichte des Evangeliums (6. Aufl.; Tübingen, 1971) 239–40.Google Scholar

43 Wohl mehrheitlich wird die Haustafel als usuelle Paränese eingestufl (vgl. Schrage, ‘Haustafeln’, 3). Demgegenüber betonte v.a. Crouch ihre Veranlassung durch Enthusias-mus.

44 Man kann mit Schrage (‘Haustafeln’, 4) auch 1 Kor 7.17ff. der Intention der Haustafeln zuordnen, ‘insofern Paulus dort mehrfach einschärft, daß jeder seinen Platz in der konkreten Alltagswirklichkeit halten und seine äußeren Lebensumstände nicht ändern soll’.

45 Nach Müller, ‘Haustafel’, 310–11, war es das Wort κύριος in Kol 3.17, ‘welches die Einbringung der älteren Haustafel in Kol 3.18–4.1 und nicht anderswo geraten sein ließ.’

46 Müller, ‘Haustafel’, 279 Anm.55 und 310 Anm. 186, erwähnt zwei solche Inter-polationshypothesen (D. Bradley; W. Munro).

47 Mit Gielen (Tradition, 62ff.) wird man aber gegen Berger einwenden müssen, daß Kol-Eph – aufgrund ihrer Entstehungszeit – nicht als Endpunkt einer in 1 Petr/Tit erst ansatzweise entwickelten Haustafel anzusehen sind.

48 So kann man in gewisser Hinsicht sagen, daß Tit 2 sogar vollständiger ist, indem er auch die ältere Generation einbezieht (die doch im Haus mitlebt) und viel ausführlicher die Funktion der Frau im Haus beschreibt (V. 4–5).

49 Siehe Anm. 14.

50 Möglicherweise liegt es an der zentralen Ausrichtung auf die Ekklesiologie und ihre kosmischen Bezüge, daß das irdische Umfeld der Kirche und ihrer Glieder nicht in den Blick tritt. Beachtenswert ist ja, daß nach der Haustafel in 6.12 durchaus – dem Schema entsprechend – die ὰρχαί und ἐξουσίαι (vgl. Tit 3.1!) genannt werden, mit ihnen aber. die κοσμοκράτορες und gerade nicht Herrscher aus ‘Fleisch und Blut’ gemeint sind!

51 Als Argument für eine Paralleltradition ist auch nochmals auf die oben festgestellten sprachlichen Gemeinsamkeiten hinzuweisen.

52 In dieser Einschätzung ist also der Sicht von Strecker zuzustimmen (‘Haustafeln’, 358). Vgl. auch Klauck (Hausgemeinde, 47), der den Verweis auf die antike Ökonomie-Literatur zu Recht ‘mehr ergänzend als umstürzend’ nennt.

53 Z.B. Aristoteles Eth. Nikomach. 1158b 14: Vater-Sohn, alt-jung, Mann-Frau, Herrscher-Beherrschter; ders. Magna moralia 2.17.2.1: ungleiche φιλία bei Vater-Sohn, Frau-Mann, Sklave (οίκέτης)-Herr, geringerem-höherstehendem; Aspasius in Eth. Nikomach. 176.15: Mann-Frau, Herrscher-Beherrschter, Vater-Sohn (bzw. Eltern-Kinder), älterer-jüngerer.

54 Vgl. Weidingers These.

55 Berger, Formgeschichte, 136ff.

56 Vgl. Weidinger, Haustafeln, 23ff. (jüd. Hellenismus), 27ff. (hell. Philosophie).

57 Cicero de officiis 1.17.58: patria et parentes, proximi liberi totaque domus, bene convenientes propinqui; Horaz epist. ad Pis (II,3,312): patria, amici, parens, frater, hospes.

58 Vgl. Weidinger, Haustafeln 31 (Hierokles bei Stobäus, anth. 4.27.23: verschiedene Kreise von Verwandten. ‘Der letzte und größte Kreis aber schließt das ganze Menschen-geschlecht mit ein’), 34 (PsMusonius Παγκρατίδης §8: ἐπιμελεìται καὶ πατρίδος καὶ πατρòς καὶ ἀδελφῶν καὶ φίλων καὶ συλλαβόντι εὶπεìν πάντων), 35 (M. Antoninus 1.17: nach Aufzählung versch. Angehöriger, auch φίλοι und διδάσκαλοι, folgt σχεδòν ἅπαντας).

59 Nicht eingegangen kann hier darauf werden, wie die Tendenz der christlichen Haustafeln im Blick auf die damalige soziale Wirklichkeit zu sehen ist: als Bestätigung des Gegebenen? oder als Relativierung der sozialen Struktur aus christlicher Sicht?

60 Thraede, ‘Hintergrund’, 360 Anm. 3.

61 Vgl. Strecker, der betont, daß ‘Eph im Vergleich mit Kol kein selbständiges Beispiel für eine angeblich umfassende neutestamentliche HT-Tradition dar(stellt)’ (‘Haustafeln’, 350). Gegen Schrage (‘Haustafeln’, 2 mit Anm. 5), der eher an gemeinsame Tradition als an literarische Abhängigkeit denkt. Zur literarischen Abhängigkeit des Eph von Kol vgl. z.B. Merklein, Helmut, ‘Eph 4,1–5,20 als Rezeption von Kol 3,1–17’, Kontinuität und Ein-heit, FS F. Mußner (Freiburg, 1981) 194210.Google Scholar

62 Dazu kommt das weitere formgeschichtliche Argument, daß die Haustafel keinen eigenen ‘Sitz im Leben’ hat, sondern diesen mit den anderen Inhalten der Gemeinde-paränese teilt.

63 Für Tit 2 stellt sich das Problem dann nicht so, wie es Strecker (‘Haustafeln’, 350) beurteilt, für den der Text wegen seiner Form als nur indirekte Mahnung an die Gemeindeglieder keine zu Kol 3 analoge Haustafel sein kann (ähnlich Schweizer, ‘Haustafeln’, 207). Denn im Rahmen der besonderen literarischen Form der Past als Anweisungen an einen Amtsträger ist nicht die Form der Mahnungen maßgeblich, sondern ihre Motivik und ihr traditionsgeschichtlicher Hintergrund.

64 Siehe dazu Anm. 19.